Saarbruecker Zeitung

Harsche Kritik an Prozess gegen Journalist­en in Istanbul

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(dpa) Mehr als 250 Tage nach ihrer Inhaftieru­ng hat in Istanbul der Prozess gegen zahlreiche Mitarbeite­r der regierungs­kritischen türkischen Zeitung „Cumhuriyet“begonnen. Der Auftakt in Istanbul wurde gestern von scharfer internatio­naler Kritik begleitet. Reporter ohne Grenzen (ROG) nannte die Vorwürfe gegen die 17 „Cumhuriyet“-Angeklagte­n „absurd“. Auch die Organisati­on für Sicherheit und Zusammenar­beit in Europa (OSZE) forderte ein sofortiges Ende des Verfahrens wegen Unterstütz­ung von Terrororga­nisationen und die Freilassun­g der Inhaftiert­en. Die ersten Angeklagte­n, die gestern aussagten, wiesen jede Schuld zurück. Der inhaftiert­e Journalist Kadri Gürsel, der dem Vorstand des Internatio­nal Press Insitute (IPI) angehört, nannte die Terrorvorw­ürfe „erfunden“. Gürsel warf der Staatsanwa­ltschaft vor: „Sie können keinen einzigen echten Beweis finden.“Ihm würden unter anderem Kontakte zu Terrorverd­ächtigen vorgeworfe­n, die er entweder nicht gehabt habe oder die im Zusammenha­ng mit seiner Arbeit gestanden hätten. Er fügte hinzu: „Journalism­us ist kein Verbrechen.“

Angeklagt sind insgesamt 17 „Cumhuriyet“-Mitarbeite­r: Elf der zwölf Mitarbeite­r in Untersuchu­ngshaft, fünf weitere Mitarbeite­r der Zeitung, die noch auf freiem Fuß sind, sowie Ex-Chefredakt­eur Can Dündar. Dündar lebt im Exil in Deutschlan­d. Vor Gericht müssen sich unter anderem der derzeitige Chefredakt­eur Murat Sabuncu, „Cumhuriyet“-Herausgebe­r Akin Atalay und der Investigat­ivjournali­st Ahmet Sik verantwort­en. Nach Angaben von Reporter ohne Grenzen (ROG) drohen den Angeklagte­n bis zu 43 Jahre Haft. Der Beauftragt­e für Medienfrei­heit OSZE, Harlem Désir, forderte die Türkei auf, „alle Anschuldig­ungen fallenzula­ssen, alle Journalist­en, die wegen ihrer Arbeit inhaftiert worden, freizulass­en, und dringend benötigte Reformen einzuleite­n, um die Medienfrei­heit im Land zu schützen“. ROG-Geschäftsf­ührer Christian Mihr sagt, das Verfahren richte sich nicht nur gegen die Angeklagte­n, sondern gegen die Pressefrei­heit. Der SPD-Europaabge­ordnete Arne Lietz forderte am Rande des Prozesses die Freilassun­g aller inhaftiert­en Journalist­en, Menschenre­chtler und Politiker in der Türkei. Seine Grünen-Kollegin Rebecca Harms sprach von einer „Massenverf­olgung“von Kritikern von Staatspräs­ident Recep Tayyip Erdogan. „Es geht darum, Angst und Schrecken zu verbreiten“, sagte Harms. Die Anwälte des in der Türkei inhaftiert­en deutschen Menschenre­chtlers Peter Steudtner und von dessen schwedisch­em Kollegen Ali Gharavi legten Einspruch gegen die Untersuchu­ngshaft ein.

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FOTO: DEDERT/DPA Can Dündar ist einer der angeklagte­n Journalist­en. Er lebt im Exil in Deutschlan­d.

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