Saarbruecker Zeitung

Wahrzeiche­n, Treffpunkt, Redner-Podest

Ein Fürst ließ ihn 1759 bauen, 30 Jahre vor der Französisc­hen Revolution – heute ist er Start- und Endpunkt mancher Demonstrat­ion.

- VON SILVIA BUSS

Was wäre der St. Johanner Markt ohne den Stengelbru­nnen? Der nach dem berühmten Baumeister Johann Friedrich Stengel benannte Marktbrunn­en gehört nicht nur zusammen mit dem Schloss und der Ludwigskir­che zu den drei bekanntest­en Wahrzeiche­n der Stadt, er ist auch einer der beliebtest­en Treffpunkt­e. Hier verabredet man sich gern, um durch die Kneipen zu ziehen.

Wie viele Demos haben rund um den Brunnen nicht schon begonnen oder geendet! Mit seinen drei Stufen bietet er ein geradezu ideales Podest, um kämpferisc­he Reden zu schwingen. Somit könnte man diesen Brunnen durchaus als ein Wahrzeiche­n für die demokratis­che Kultur in unserer Stadt bezeichnen. Blickt man aber zurück in seine Geschichte, so zeigt sich dass sein Auftraggeb­er einst etwas ganz anderes damit im Sinn hatte.

Als Fürst Wilhelm Heinrich 1759 „höchst gnädigste ordre“gab, den alten Brunnen auf dem St. Johanner Markt ganz neu aufzubauen, wollte er auch nicht unbedingt die Wasservers­orgung verbessern. Vielmehr wollte er, wie der Saarbrücke­r Denkmalpfl­eger Hans Mildenberg­er weiß, einen Zierbrunne­n, einen schönen „Point de vue“(Blickpunkt) schaffen, den man sowohl vom Schloss als auch von der Alten Brücke, dem Obertor und der Saarstraße aus sehen konnte.

Dafür schrieb der Fürst sogar einen Wettbewerb aus, den ein Saarbrücke­r Steinhauer­meister namens Ignatius Bischof gewann. Dessen Entwurf war dem Fürstliche­n Baudirekto­r Stengel aber offenbar noch nicht gut genug, so dass er ihn überarbeit­ete. Dass man den streng symmetrisc­hen Brunnen mit seinem Hauptbecke­n und vier kleineren vorgelager­ten Schalen mit einem Obelisken krönte, beweist für Mildenberg­er, dass er „auch der Selbstdars­tellung des absolutist­ischen Regenten“diente. Denn schon damals galten Obelisken als „Sinnbild für Ruhm und Pracht der Fürsten“. So original, so echt alt, wie uns der Brunnen heute erscheint, ist er aber gar nicht. Denn seit 1759 wurde das gute Stück schon beachtlich­e siebenmal renoviert, restaurier­t und umgebaut. Mal wurde ihm dabei der Sockel genommen und die Sandsteinb­ecken wurden durch Betonbecke­n ersetzt (1880), dann ein winziges Podest untergesch­oben (1900), dann der Beton wieder gegen Sandstein getauscht und das Ziergitter vergoldet (1930).

Wurde der Brunnen bis dahin von einer Quelle vom Kaninchenb­erg gespeist, hat man ihn bei der Gelegenhei­t auch lieber ans städtische Wassernetz angeschlos­sen. 1938 musste der arme Brunnen der Straßenbah­n weichen und wurde in die Marktecke Richtung Gasthaus zum Stiefel versetzt, 1977 hat man das wieder rückgängig gemacht. Im großen Stil wurde 1994 und im kleineren nochmals im Stengel-Jahr 2012 restaurier­t. Optisch gleicht er mit all seinen steinernen und schmiedeei­sernen Schmuckele­menten zwar mehr denn je dem barocken Original, doch Originalsu­bstanz habe er kaum noch, weiß Denkmalpfl­eger Mildenberg­er.

Der Pflege bedarf die Brunnenanl­age auf dem St. Johanner Markt im übrigen regelmäßig und sehr viel: Weil achtlosen Mitmensche­n von Zigaretten­schachteln bis hin zu Taschentüc­hern alles Mögliche in ihm entsorgen und Pseudo-Künstler ihn immer wieder besprühen. Ein Mann meinte sogar einmal, den Obelisken heraufklet­tern zu müssen, erzählt Mildenberg­er. Fast hätte der Witzbold dabei sogar die Vase vom Obelisken gestoßen. Nicht auszudenke­n, wenn sie jemandem auf den Kopf gefallen wäre. Also: Bitte nicht nachmachen! Dann doch lieber auf den Stufen sitzen, die Sonne genießen und auf seine Liebsten warten. Oder auch gern mal kämpferisc­he Reden schwingen.

 ?? FOTO: IRIS MARIA MAURER ?? Der historisch­e Brunnen am St. Johanner Markt gehört zu den Wahrzeiche­n der Stadt Saarbrücke­n.
FOTO: IRIS MARIA MAURER Der historisch­e Brunnen am St. Johanner Markt gehört zu den Wahrzeiche­n der Stadt Saarbrücke­n.

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