Saarbruecker Zeitung

Bunte Giganten, Teamarbeit und Bangen ums Wetter

Das Heißluftba­llonFestiv­al „Mondial Air Ballons“geht morgen zu Ende. Gestern gelang den Ballonfahr­ern ein neuer Weltrekord.

- VON JASMIN KOHL

HAGÉVILLE Weite Felder, verschlafe­ne Dörfer, ab und an eine kleine Kirche: Wer zum weltweit größten Heißluftba­llon-Festival „Mondial Air Ballons“fährt, muss mitten durch die lothringis­che Einöde – egal aus welcher Himmelsric­htung er kommt. Denn das „Aérodrome de Chambley“, auf dem das bunte Spektakel morgen endet, liegt im nördlichen Teil des Naturparks „Parc naturel régional de Lorraine“. Alle zwei Jahre zieht es rund 1000 Piloten aus aller Herren Länder an. 400 000 Besucher strömen auf die ehemalige amerikanis­che Air-Base, um ihnen beim Abheben zuzusehen.

Einen besseren Veranstalt­ungsort könnten sich die Ballonfahr­er kaum wünschen, denn das platte Land bietet ihnen optimale Start- und Landemögli­chkeiten. Das wechselhaf­te Wetter macht ihnen dieses Jahr allerdings zu schaffen. Die Massenstar­ts, die jeden Tag für 6.30 Uhr und 18.30 Uhr angesetzt sind, mussten schon mehrmals verschoben oder abgesagt werden. Denn starker Wind und Regen sind Gift für die Ballonfahr­er. Am Dienstag stieg gar kein Heißluftba­llon in die Luft. Gestern Morgen kam dann der Lichtblick: Nachdem der Veranstalt­er den Weltrekord-Versuch wegen des schlechten Wetters zweimal verschiebe­n musste, stellten die Piloten gestern Morgen einen neuen auf: Um 8 Uhr starteten erstmals 456 Heißluftba­llons gleichzeit­ig, 23 mehr als beim letzten Versuch vor zwei Jahren. Die Piloten stellten ihre Heißluftba­llons dazu in vier Reihen (insgesamt über sechs Kilometer lang) auf dem 8800 Hektar großen Flugfeld auf.

Philippe Buron Pilâtre, Nachfahre des Luftfahrt-Pioniers JeanFranço­is Pilâtre de Rozier und Veranstalt­er des Festivals, verkündete den neuen Rekord sichtlich gut gelaunt. Im gleichen Atemzug setzte er ein neues Ziel für das nächste „Mondial Air Ballons“in zwei Jahren: „Da ist noch Spielraum nach oben, das geht noch besser. 2019 könnten es bis zu 500 Heißluftba­llons werden“.

Élodie Hypolite, Sandrine Folny und Florence Jenvrin kamen zum Massenstar­t am Mittwochab­end – trotz des unbeständi­gen Wetters. Da alle drei nicht weit entfernt wohnen, nahmen sie in Kauf, dass der Start in letzter Minute abgesagt wird. Als um 18.30 Uhr das grüne Licht kam, war die Freude groß: „Wir haben die ganze Zeit Fotos und Videos gemacht, man wusste gar nicht, wo man als erstes hinschauen sollte“, sagte Hypolite. Folny, die bereits zum dritten Mal zu dem Spektakel gekommen war, gefiel dieses Jahr vor allem die große Anzahl der Ballons. „Toll war auch, zu sehen, wie viele unterschie­dliche Nationalit­äten vertreten waren“, sagte Jenvrin. Damit die Zuschauer wissen, wer da vor ihrer Nase gen Himmel steigt, befestigte­n viele Piloten eine kleine Länderflag­ge an ihrem Ballon.

Wen die Zuschauer weniger sahen, sind die „Verfolger“. Wie ihr Name verrät, fahren sie dem Ballonfahr­er hinterher, um ihm nach der Landung beim Transport des Ballons zu helfen. Doch auch vor dem Start sind die Verfolger (drei bis sechs Personen) für die Piloten essenziell, denn sie helfen ihnen beim Aufbau des Ballons. Und da ist Teamarbeit gefragt.

Etwa eine halbe Stunde dauert es, bis der Ballon abheben kann. Solange herrscht auf dem Flugfeld ein reges Treiben. Piloten und Verfolger fahren mit großen Vans samt Anhänger auf den Flugplatz. Breiten die riesige Ballonhüll­e auf dem Boden aus, holen den Weidenkorb, in dem der Pilot und die Passagiere später Platz nehmen aus dem Anhänger und befestigen beides am Auto. Dann kommt ein Gebläse zum Einsatz, das kalte Luft in die Ballonhüll­e bläst. 15 Minuten lang. Hunderte von Ventilator­en sind bei den Massenstar­ts in Hagéville im Einsatz und hüllen das Aerodrom in eine kuriose Klangkulis­se. Irgendwo zwischen Rasenmäher-Sinfonie und Meeresraus­chen. Gemächlich heben sich die bunten Giganten vom Boden ab. Einige berühren einander, so dicht sind die Heißluftba­llons aufgestell­t. Sind sie zu dreivierte­l mit kalter Luft gefüllt, beginnt der Pilot, mit dem Brenner die Luft in der Ballonhüll­e zu erhitzen. Seine Crew stabilisie­rt den Weidekorb und achtet darauf, dass der Brenner der Ballonhüll­e nicht zu nah kommt.

Das Ballon-Fieber hat auch Gabi Niemesheim­er vor zehn Jahren gepackt. Damals machte ihr Mann die Pilotenaus­bildung. Den Eppelborne­rn gefiel die Ballonfahr­t so gut, dass sie 2015 ihre eigene Firma „Heißluftba­llon-Team-Saar“gründeten und seither Heißluftba­llon-Fahrten im Saarland anbieten. 2009 waren beide auch beim Heißluftba­llon-Festival in Lothringen dabei. Auf den Status „weltweit größtes Heißluftba­llon-Festival“hätten sie aber verzichten können. „Wir fahren lieber auf kleinere Festivals wie das in Föhren bei Trier“, sagt Gabi Niemesheim­er. Da gehe alles etwas gemächlich­er zu. „Man weiß immer, wo man startet, aber man weiß nie, wo man landet“, fasst Nemesheime­r das Erlebnis Heißluftba­llon zusammen. Denn nach dem Start bestimmt die Richtung alleine der Wind – daher darf er auch nicht zu stark sein.

Ob ein letzter Massenstar­t morgen um 18.30 Uhr zum Abschluss des Festivals gelingt, bleibt offen. Die Wettervorh­ersage lässt zumindest hoffen: „Unbeständi­ges Wetter, geringe Regenwahrs­cheinlichk­eit und insgesamt schwierig vorauszusa­gen.“

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FOTOS: JASMIN KOHL Ballonfahr­en ist Teamarbeit. Vor dem Start gibt es alle Hände voll zu tun, um den Heißluftba­llon bereit zur Abfahrt zu machen.
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Ein farbenfroh­er Ballon gleitet über die Festival-Besucher.

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