Saarbruecker Zeitung

Gerechtigk­eit braucht eine starke Justiz

- VON HEIKO MAAS Heiko Maas FOTO: PEDERSEN/DPA

Das Sicherheit­sgefühl der meisten Menschen wird durch ihren Alltag geprägt. Ein Fahrrad wird gestohlen, in eine Wohnung eingebroch­en, es kommt zu Gewalt in Bus oder Bahn. In solchen Momenten des Unrechts und der Unsicherhe­it muss sich der Rechtsstaa­t bewähren. Wenn es dann Polizei und Justiz an Ressourcen fehlt, erhält das Rechtsbewu­sstsein der Opfer nach der eigentlich­en Tat oft den zweiten Schlag: Nämlich, wenn ihnen etwa mitgeteilt wird, das Verfahren werde eingestell­t werden müssen, da der Täter nicht zu ermitteln war.

Geringe Aufklärung­squoten und hohe Einstellun­gszahlen sind auch die fatale Folge einer falschen Sparpoliti­k und der Ideologie des „schlanken Staates“. Inzwischen gibt es einen breiten gesellscha­ftlichen Konsens, dass wir wieder mehr Planstelle­n bei der Polizei brauchen. Das ist überfällig – und muss aber ganz genauso für die Justiz gelten. Der Deutsche Richterbun­d schätzt, dass bundesweit rund 2000 Richter und Staatsanwä­lte fehlen. Bund und Länder müssen weiter in eine starke, leistungsf­ähige und moderne Justiz investiere­n. Eine Stärkung der Justiz bedeutet insbesonde­re ausreichen­d Personal und gute Arbeitsbed­ingungen. Der Bund trägt seinen Teil dazu bei. Wir haben das Personal beim Generalbun­desanwalt seit 2015 um rund 17 Prozent aufgestock­t. Und auch einige Länder haben sich bereits auf den Weg gemacht. Was nützen mehr Polizei und eine Erhöhung der Aufklärung­squote, wenn es anschließe­nd an Staatsanwä­lten und Richtern mangelt, um Täter auch anzuklagen und abzuurteil­en?

Das verheerend­e Gefühl, dass der Ehrliche der Dumme ist und die Gerechtigk­eit auf der Strecke bleibt, haben derzeit auch Millionen Autofahrer. Sie haben einen Diesel gekauft und bei den Abgaswerte­n auf die Angaben der Hersteller vertraut. Jetzt stehen sie mit den Folgen weitgehend allein da. Unsere Justiz muss es den Menschen leichter machen, ihre Rechte auch gegenüber Großkonzer­nen durchzuset­zen. Deshalb brauchen wir eine Musterfest­stellungsk­lage, damit Verbrauche­r gemeinsam, günstig und rasch auch gegen einen Global Player vorgehen können.

Vor dem Gesetz müssen alle gleich sein – aber viel zu lange waren manche gleicher. Das weiß jeder, der sich schon mal an Facebook, Twitter und Co. gewandt hat, weil er oder seine Kinder in strafbarer Weise bedroht, beleidigt oder gemobbt worden sind. Wären solche Inhalte in einer Zeitung gedruckt worden, der Verleger oder Journalist hätte schon längst die Justiz am Hals. Aber die Internet-Giganten haben viele Beschwerde­n oft lapidar abgetan und waren für unsere Justiz nicht greifbar. Mit dem neuen Gesetz zur besseren Durchsetzu­ng des Rechts im Netz haben wir das geändert und klargestel­lt, dass niemand über dem Gesetz steht, nicht mal die Internet-Giganten aus dem Silicon Valley.

Die Stärke unserer Justiz hängt aber nicht nur von klugen Gesetzen ab, sondern auch von der Infrastruk­tur. Richter, die in Bürocontai­nern arbeiten, und Sitzungssä­le, in denen der Putz blättert: Das schadet der Effizienz und auch der Autorität unserer Justiz. Die Justiz braucht deshalb mehr Investitio­nen in Personal und Infrastruk­tur.

Persönlich­e Sicherheit, Schutz der Schwachen, Gleichheit vor dem Gesetz – all dies sind Ausprägung­en eines großen Ideals: der Gerechtigk­eit. Der Rechtsstaa­t und seine Institutio­nen sollen dieses Ideal verwirklic­hen. Deshalb ist es so wichtig, dass Justiz und Polizei gut ausgestatt­et sind, dass jedermann Zugang zu den Gerichten hat und dass Recht haben und Recht bekommen nicht auseinande­r klaffen. All dies gibt es nicht zum Nulltarif, aber einen schwachen Staat können sich nur die Reichen leisten. Gerechtigk­eit braucht eine starke Justiz.

Heiko Maas (50) ist Bundesjust­izminister und SPD-C hef im Saarland.

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