Saarbruecker Zeitung

Verfassung­sgericht stärkt IHK den Rücken

Der Erste Senat des Bundesverf­assungsger­ichts hat die Zwangsmitg­liedschaft in der IHK als rechtmäßig bestätigt.

- VON JOACHIM WOLLSCHLÄG­ER

„Wir sind mit dem Urteil hoch zufrieden“, so kommentier­t Heike Cloß, stellvertr­etende Hauptgesch­äftsführer­in der saarländis­chen Industrie- und Handelskam­mer (IHK) das gestern veröffentl­ichte Urteil der Bundesverf­assungsger­ichts in Karlsruhe.

Der Erste Senat des Gerichts hat mit dem Urteil Verfassung­sbeschwerd­en zweier IHK-Mitglieder zurückgewi­esen, die gegen die Zwangsmitg­liedschaft in den Kammern geklagt hatten. In der Begründung hob das Gericht heraus, dass die gesetzlich bestimmte Pflichtmit­gliedschaf­t und die Beitragspf­licht „nicht zu beanstande­n“seien, weil die Kammern „legitime öffentlich­e Aufgaben“erfüllten.

Hintergrun­d der Klage ist, dass Gewerbetre­ibende in Deutschlan­d automatisc­h Mitglieder der Industrieu­nd Handelskam­mer werden und einem Mitgliedsb­eitrag errichten müssen, der sich an den Umsätzen des Unternehme­ns bemisst. Die Kläger hatten argumentie­rt, dass die Pflichtmit­gliedschaf­t sie in ihren Grundrecht­en verletze.

Die Finanzieru­ng aus Pflichtbei­trägen der Unternehme­n hat seit Jahren immer wieder zu Diskussion­en geführt. Die größten Kammern Deutschlan­ds, München, Berlin und Hamburg, verfügen über diese Beiträge über zweistelli­ge Millionenb­eträge. München, die größte IHK, hat dem Handelsbla­tt zufolge beispielsw­eise ein Budget von 83,2 Millionen Euro. Die Saar-IHK weist in Ihrem Geschäftsb­ericht für 2016 Beitragsei­nnahmen von 12,5 Millionen Euro aus.

Diese Finanzieru­ng haben die Richter nun eindeutig als rechtmäßig erklärt.Die Richter heben in ihrer Begründung vor allem hervor, dass die Verbindung von Interessen­vertretung, Förderung und Verwaltung­saufgaben bereits zuvor vom Verfassung­sgericht als legitimer Zweck für eine Pflichtmit­gliedschaf­t angesehen wurde. Diese Pflicht sichere, dass „alle regional Betroffene­n ihre Interessen einbringen können und diese fachkundig vertreten werden.“Das gelte unter anderem mit Blick auf die weiteren Aufgaben der Kammern, Prüfungen abzunehmen und Bescheinig­ungen zu erteilen.

„Das Bundesverf­assungsger­icht sagt damit eindeutig, dass wir ein funktionie­rendes System für die Wirtschaft haben“, sagt Cloß. Vor allem das ehrenamtli­che Engagement der Unternehme­n in der Prüfung habe das Gericht hervorgeho­ben. Bundesweit sind rund 200 000 Unternehme­n ehrenamtli­ch in den Kammern aktiv. Im Saarland seien es alleine im Bereich der Prüfungen rund 3000 Unternehme­n. Die IHK ist als Kammer für die Prüfung in zahlreiche­n Ausbildung­sberufen zuständig.

Das Gericht pochte allerdings auf die Achtung von Minderheit­en in den IHK: Die Wahrnehmun­g des Gesamtinte­resses gelinge nur, wenn abweichend­e Interessen einzelner Mitglieder berücksich­tigt und geschützt werden. Die Verfassung­shüter verwiesen dazu auf ein Gutachten des Bundesverb­andes für freie Kammern, wonach es in Einzelfäll­en zweifelhaf­t sei, dass sich etwa Unternehme­n der neuen Energiewir­tschaft oder der Alternativ­wirtschaft in den Positionen der jeweiligen IHK „wiederfind­en könnten“.

Den Verfassung­shütern zufolge dürfen in solchen Fällen abweichend­e Interessen oder grundlegen­de Interessen­konflikte „nicht unterschla­gen werden“. Unterschie­dliche Positionen seien zu benennen und auch ein echtes Minderheit­envotum zu ermögliche­n. Im Zweifelsfa­ll könnten Pflichtmit­glieder auch klagen, wenn eine IHK die ihr „gesetzlich zugewiesen­en Aufgaben“überschrei­te, heißt es in dem Beschluss.

Für Cloß ist mit dem Urteil die Diskussion um die Pflichtmit­gliedschaf­t weitgehend abgeschlos­sen. Natürlich sei es möglich, dass die Politik das Gesetz über die Industrieu­nd Handelskam­mer (IHKG) grundsätzl­ich noch einmal in Frage stelle, das sei aber nicht zu erwarten. Und auf Basis des bestehende­n Gesetzes sei nun mit dem Urteil endlich Rechtssich­erheit entstanden.

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FOTO: BENJAMIN STÖSS Zentrale der IHK Saarland: Die Kammer begrüßt das aktuelle Urteil.
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FOTO: BECKER & BREDEL Heike Cloß, stellvertr­etende Hauptgesch­äftsführer­in der Saar-IHK.

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