Mit den Augen der Primaten
Neu im Kino: „Planet der Affen – Survival“von Matt Reeves – Großes, intelligentes Unterhaltungskino mit Andy Serkins und Woody Harrelson
Die hässliche Fratze des Colonels (Woody Harrelson) erinnert an Bilder aus „Apocalypse Now“. Wenn sich im Zoo vor dem Affengehege immer wieder Menschentrauben bilden, liegt das daran, dass wir uns in diesen Primaten, die nur einen kleinen Evolutionsschritt von uns entfernt sind, auf leicht verfremdete Weise wiedererkennen.
Diese Faszination haben sich die Macher von „Planet der Affen“stets zunutze gemacht, aber noch nie dürfte sich das Publikum den Tieren so nahe gefühlt haben, wie in diesem neuen Sequel. Das liegt an einer weiteren technischen Perfektionierung, mit der die Affenfiguren humanisiert werden können und an der narrativen Grundsatzentscheidung, „Planet der Affen: Survival“komplett aus der Perspektive der Affen zu erzählen.
Und das funktioniert nicht nur punktuell, sondern über zwei Kinostunden lang auf ebenso berührende wie erhellende Weise. Im Mittelpunkt des Filmes steht als charismatischer Held der Schimpanse Caesar (Andy Serkis), der sich als besonnener Führer in einer deutlich verschärften Konfliktsituation bewähren muss. Der Virus, der den Primaten einen Evolutionsfortschritt gebracht hat, ist für die Menschheit lebensbedrohlich. Unter der Führung eines gefürchteten Colonels (Woody Harrelson) haben sich Einheiten der US-Armee der Ausrottung der Affen verschrieben. Als der Colonel bei einem Überfall Caesars Frau und Sohn ermordet, lässt der Affenführer sein Volk alleine ins Exil losziehen, um Rache an seinem Erzfeind zu nehmen. Am Militärstützpunkt angekommen müssen Caesar und seine Getreuen feststellen, dass die Menschen ihr Volk Caesar (Andy Serkis) ist der Held des Films.
in einem Konzentrationslager interniert haben.
In „Survival“arbeitet Reeves mit starken Analogien auf die düstersten Kapitel der Menschheitsgeschichte: Bilder des Holocaust, der amerikanischen Sklaverei und des Genozids an den „Native Americans“werden ebenso zitiert wie die Filmgeschichte von Western-Motiven über MonumentalfilmKlassiker wie „Die zehn Gebote“bis hin zu Kriegsfilmen a la „Apocalypse Now“.
Das alles kommt erstaunlich unprätentiös daher. Nahtlos verbindet Reeves die Ansprüche eines modernen Kino-Epos mit einem philosophischen Subtext, der mit überzeugender Klarheit so einige Grundsatzfragen der menschlichen Existenz ausformuliert. Im Kern geht es in der Geschichte um den ewigen Kampf zwischen Verstand und Emotion. Wenn der Colonel zu seinem Bösewicht-Dialog ausholt, hebelt Woody Harrelson alle Stereotypen aus, weil er sein grausames Tun auf vollkommen rationale Weise erklärt. Der Diskurs, den er mit Caesar inmitten des herannahende Kriegsgemetzels führen, ist eine differenzierte Gradwanderung zwischen Hassgefühlen und gegenseitigem Verständnis.
So wie der Film von den Zuschauern einfordert, sich in eine andere Spezies hineinzuversetzen, drängt er auch seine Figuren immer wieder in empathische Situationen hinein, in denen sie das eigene Sein mit den Interessen und Gefühlen des Gegners abgleichen müssen. In Zeiten, in denen nationale Egozentrik zur Staatsdoktrin erhoben wird, ist das sicherlich nicht die schlechteste Haltung für einen Blockbuster-Film, der großes, intelligentes Unterhaltungskino bietet und zynische Krachmacher-Werke wie „Transformers“auf die hinteren Plätze verweist. (USA 2017, 140 Min., Regie: Matt Reeves)