Eine höchst anstrengende Persönlichkeit
Neu im Kino: „Final Portrait“von Stanley Tucci – Stimmungsvolles Künstlerportrait über den Maler und Bildhauer Alberto Giacometti
Ein Amerikaner in Paris – James Lord genießt diesen Status. Schließlich hat der Publizist hier bereits einige der größten Malerfürsten des 20. Jahrhunderts getroffen und das Atelier Paul Cezannes vor dem Abriss gerettet. Sein jüngster Coup ist die autorisierte Biografie des in der Schweiz geborenen Malers und Bildhauers Alberto Giacometti.
Nun nähert sich Lords Zeit in Paris dem Ende zu; nur wenige Tage verbleiben noch bis zum Rückflug in die Staaten. Giacometti hat ihm angeboten, für ein Porträt Modell zu stehen. Aber schon am ersten Tag hadert der Maler mit seiner mangelhaften Inspiration und verwirft die wenigen Skizzen, die er über Stunden erstellt hatte. Er bittet Lord, am nächsten Tag wiederzukommen. Lord akzeptiert und setzt damit einen Prozess in Gang, in dessen Verlauf die Flugreise ein ums andre Mal storniert werden muss.
Es ist historisch belegt, dass Künstler sehr anstrengende Persönlichkeiten sein können. Zweifellos hat Stanley Tucci in seiner neuen Regiearbeit genau darauf den Daumen legen wollen und in Geoffrey Rush ein Oscarprämiertes Schauspielschwergewicht gefunden, dass nicht nur verblüffende Ähnlichkeit mit dem Vorbild Giacometti aufweist, sondern auch mit Gusto all die schlechten Eigenschaften ersuhlt. Das reicht vom exzessiven Alkohol- und Nikotingenuss über die Muse aus dem Prostituiertenmilieu und die entsprechende Missachtung der Ehefrau bis hin zur penetranten Koketterie mit dem eigenen Genius.
Rush bekam lange Leine und gibt dem Affen in dem Maße Zucker, wie Armie Hammer sich als James Lord der Situation in völliger Eigenschaftslosigkeit unterordnet. Interessant ist die gewohnt spröde Sylvie Testud als Giacomettis Ehefrau, Brillant in der Hauptrolle: Geoffrey Rush. die sich einen japanischen Liebhaber leistet, bei Bedarf aber alles der ehelichen Liebespflicht unterordnet.
Tuccis Regie begreift sich augenscheinlich als Schauspielerkino, kann aber auch mit einigen hübschen ausstatterischen Kabinettstückchen aufwarten. Allerdings fehlt dem Film eine etwas klarere künstlerische Positionierung im Erzählerischen. Tucci ist mehr ein Mann für Stimmungen, aber er kann nicht gut vermitteln, warum ihn das Ganze interessiert. (GB 2017, 94 Min., Camera Zwo Sb; Regie und Buch: Stanley Tucci, Kamera: Danny Cohen; Musik: Evan Lurie)