Saarbruecker Zeitung

Hotel-Tests können in die Irre führen

Imme r me hr Me nsche n se tze n be i de r Urlaubspla­nung auf die Hote l-Be we rtung e n ande re r Inte rne t-Nutze r. Abe r je de r R e ise nde hat ande re Erwartung e n an die Traumunte rkunft. Das spie g e lt sich auch in de n Me inung e n im Ne tz wid

- VON PAULINE SICKMANN

„Wenn ein Hotel zu 99 Prozent weiterempf­ohlen wird, sollten Nutzer

vorsichtig sein.“

Axel Jockwer

Experte für Online-Touristik

BERLIN (dpa) Hotelbewer­tungen spielen bei Reisebuchu­ngen im Internet eine immer größere Rolle, denn Urlauber vertrauen auf die Erfahrungs­berichte anderer. Wer auf den großen Portalen wie Booking, Expedia und Holidayche­ck unterwegs ist, dem fällt allerdings auf, dass es im Netz kaum wirklich schlechte Bewertunge­n gibt.

In der Vergangenh­eit seien Hotelbewer­tungen noch aussagekrä­ftig gewesen, meint Axel Jockwer, Experte für Online-Touristik. Die einzelne Bewertung verliere aber immer mehr an Bedeutung. „Es ist mittlerwei­le wirklich bei jedem Hotelbetre­iber angekommen, dass Werbung ohne Bewertunge­n nicht mehr funktionie­rt“, so der Tourismus-Fachmann. Deshalb werde die Darstellun­g auf den Webseiten mittlerwei­le häufig so angepasst, dass jedes Hotel möglichst gut dasteht. Wie groß der Unterschie­d zwischen einer Bewertung von 9,3 und 8,2 wirklich ist, lässt sich allerdings oft kaum abschätzen.

„Wenn ein Hotel zu 99 Prozent weiterempf­ohlen wird, sollten Nutzer vorsichtig sein“, so Jockwer. Denn es gebe keine Unterkunft, die alle Arten von Reisenden anspricht, warnt der Experte. Dafür seien die Ansprüche und Erwartunge­n einfach zu verschiede­n.

Die Bewertunge­n kommen bei fast allen Portalen ähnlich zustande. Nutzer geben nach dem Besuch eines Hotels auf der Webseite eine Bewertung ab. Zunächst wird meist eine Gesamtnote vergeben. Danach haben Urlauber die Möglichkei­t, Einzelheit­en vom Besuch zu erzählen. Außerdem lassen sich häufig einzelne Kategorien wie Lage, Zimmerauss­tattung oder PreisLeist­ungs-Verhältnis bewerten. Diese Bewertunge­n sind für viele Reisende immer noch sehr wichtig. „Urlauber vertrauen anderen Urlaubern“, sagt Susanne Nguyen, Sprecherin des Online-Reiseporta­ls Tripadviso­r. Laut einer Untersuchu­ng des Branchenve­rbands Bitkom nutzen rund 28 Prozent aller Reisenden Bewertunge­n im World Wide Web bei der Buchung eines Hotels.

Gekaufte oder gefälschte Bewertunge­n seien entgegen der Sorge einiger Nutzer in der Regel kein großes Problem, versichert Nguyen. Tripadviso­r überprüfe automatisc­h alle abgegebene­n Urteile. Verdächtig­e Bewertunge­n, die auf diese Weise nicht entdeckt werden, könnten Nutzer dem Anbieter melden.

Axel Jockwer bestätigt, dass gekaufte Bewertunge­n eine untergeord­nete Rolle spielen. Er sieht das Problem an anderer Stelle: „Es gibt einen Anteil von Bewertunge­n in einer Grauzone.“Diese entstehe dadurch, dass Hotelbetre­iber zum Beispiel gezielt Gäste zu einer Bewertung motivieren, die vom Aufenthalt ohnehin begeistert waren.

Der Tourismus-Experte gibt Tipps, mit denen Urlauber ein für sich geeignetes Hotel ausfindig machen können. So sollten sich Nutzer auf ein bis zwei Hotel- und Bewertungs­portale beschränke­n, anstatt das Netz querbeet zu durchsuche­n. Auch Filter für bestimmte Kategorien und Wünsche erleichter­ten bei der Fülle an Bewertunge­n die Suche nach dem richtigen Hotel erheblich. Urlauber sollten sich fragen, was ihnen wirklich wichtig ist und dann diese Aspekte in die Suche mit einbeziehe­n. Drei ausführlic­he Bewertunge­n zu lesen, reiche oft schon aus, um das Hotel grob beurteilen zu können, so Jockwer.

Nutzer sollten auch auf die Sprache der Bewertunge­n achten, da sie von Wortwahl, Zeichenset­zung und Satzbau Rückschlüs­se auf die Person ziehen könnten, die eine Bewertung geschriebe­n hat.

Das Bildmateri­al, das andere Urlauber hochgelade­n haben, sei allerdings in der Regel aussagekrä­ftiger als die Bilder von der Hotelwebse­ite. Deshalb müssten Reisende genau hinschauen, woher die Fotos im jeweiligen Bewertungs­portal stammen.

Meist lieferten die Portale nur wenige Informatio­nen über den Verfasser einer Bewertung, sagt Jockwer. Denn oft seien nur Basisdaten zu den Nutzern hinterlegt. Alter und Geschlecht reichten jedoch oft nicht aus, um zu erkennen, ob die Bewertung den Ansprüchen des Hotelsuche­nden entspricht. „Prinz Charles und Ozzy Osbourne sind beide Briten und gleich alt, haben aber mit Sicherheit andere Vorstellun­gen von einem perfekten Hotel.“

Axel Jockwer selbst war maßgeblich am Aufbau von Holidayche­ck beteiligt. Er berichtet, dass es bei den Portalen noch viel zu tun gebe. „In Zukunft sollten die Filtermech­anismen stärker ausgebaut werden.“Die Menge an Bewertunge­n helfe dabei nicht sonderlich. Besser sei es, nach Reisetypen zu unterschei­den, etwa zwischen alleinreis­enden Geschäftsl­euten oder Familien mit Kindern. In Ansätzen gebe es das schon. In Zukunft könnten Filter noch besser dabei helfen, das Wunschhote­l zu finden.

Laut Bitkom-Tourismusr­eferentin Miriam Taenzer stehen die Portale für Hotelbewer­tungen immer stärker in Konkurrenz zu Internetgr­ößen wie Google oder Amazon. „In den USA hat Amazon gerade einen eigenen Hotelfinde­r gestartet. Und Google spricht Nutzer offensiver an als klassische Hotelbewer­tungsporta­le.“

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FOTO: FIFA WCOC/DPA Auch auf schöne Fotos auf den Webseiten der Hotelbetre­iber sollten sich Nutzer bei der Reiseplanu­ng nicht grundsätzl­ich verlassen.

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