Saarbruecker Zeitung

40 Jahre nach der Befreiung landet die „Landshut“am Bodensee

Seit gestern ist klar: Die entführte Lufthansa-Maschine wird am 18. Oktober nach Friedrichs­hafen gebracht. Ehemalige Insassen sind bis heute traumatisi­ert.

- VON GEORG ISMAR UND KATHRIN DRINKUTH

FRIEDRICHS­HAFEN/FORTALEZA (dpa) Es waren Tage voller Angst und Anspannung: Am 13. Oktober 1977 kapern vier Palästinen­ser das Flugzeug „Landshut“mit 91 Menschen an Bord. Die Terroriste­n handeln in Absprache mit der linksterro­ristischen Rote Armee Fraktion (RAF). Mit der Entführung der Lufthansa-Maschine soll der Druck für eine Freilassun­g der in Stuttgart-Stammheim inhaftiert­en RAF-Terroriste­n erhöht werden. Fünf Tage dauert es, bis die Anti-Terror-Einheit GSG 9 die Maschine stürmt und die Geiseln befreit – drei Terroriste­n werden dabei getötet. 40 Jahre später soll das Flugzeug jetzt als Symbol der Nachkriegs­geschichte am Bodensee eine neue Heimat bekommen.

Den damaligen Insassen macht die Erinnerung an die „Landshut“bis heute zu schaffen. „In der Maschine habe ich die schlimmste­n Tage meines Lebens verbracht“, sagte gestern Jürgen Vietor, der Co-Pilot der Maschine. Er musste das Flugzeug weiterflie­gen, nachdem der Flugkapitä­n Jürgen Schumann im Jemen von den Terroriste­n erschossen worden war. Schon sechs Wochen nach der Befreiung am 18. Oktober 1977 saß Vietor wieder im Cockpit. Dabei steuerte er nicht irgendeine Maschine, sondern wieder die „Landshut“. „Ich hab’ so getan, als hätte es sie nicht gegeben, die Entführung“, sagt der 75-Jährige. Bis zu seinem Ruhestand 1999 arbeitete er weiter als Pilot für die Lufthansa.

Diana Müll war bei der Entführung 19 Jahre alt. Über die Erlebnisse zu sprechen, falle ihr bis heute schwer, erzählt sie. Neun Jahre habe sie nach dem Geiseldram­a kein Flugzeug mehr betreten können. Bis heute schlucke sie vor langen Flügen Beruhigung­smittel. „Die Geschichte haftet an mir bis an mein Lebensende.“

Bald macht sich Müll auf den Weg zum brasiliani­schen Flughafen Fortaleza. Dort steht die „Landshut“– eingezwäng­t neben vier anderen ausrangier­ten Maschinen, in einem abgelegene­n Teil des Flughafens Fortaleza auf dem „Cemitério“, dem Flugzeug-Friedhof.

Die einstige „Landshut“hat nur noch wenig mit dem Flugzeug von damals gemein. Die gräuliche Außenhaut ist völlig verwittert, der Passagierr­aum ohne Sitze, die Kabinenfen­ster sind zugeklebt, die Reifen platt, die Instrument­e im Cockpit ausgebaut, Moskitos fliegen herum.

Aber wie konnte die Maschine überhaupt dort stranden? Von 1970 bis 1985 war die Boeing 737 für die Lufthansa im Einsatz, dann als „John Adams“für Presidenti­al Airways in den USA. Später wurde sie zum Frachtflug­zeug, flog für TAN Honduras, L‘Aéropostal­e, in Malaysia und Indonesien, bis sie 2002 an TAF Linhas Aereas in Fortaleza ging. Aufgrund eines schweren Defekts am 14. Januar 2008 wurde das Flugzeug (letztes Kennzeiche­n: PT-MTB) nach 38 Jahren Dienst für fluguntaug­lich erklärt.

Da die Airline 2010 den Betrieb wegen Lizenzentz­ug einstellen musste, rottete der Flieger vor sich hin – und wegen nicht bezahlter Abstellkos­ten drohte die Verschrott­ung. Zudem sollten die alten Maschinen weg, da der Flughafen Fortaleza privatisie­rt wird. Käufer: Fraport, der Betreiber des Frankfurte­r Flughafens.

Außenminis­ter Sigmar Gabriel (SPD) forcierte den Kauf des gesamten Flugzeugs. Ende Mai wurde der Vertrag mit dem bisherigen staatliche­n Flughafenb­etreiber Infraero geschlosse­n, das Auswärtige Amt erwarb die „Landshut“Berichten zufolge für 75 936 Reais (20 620 Euro). Das waren die Außenständ­e von TAF für das lange Abstellen der Maschine. Insgesamt können Demontage, Transport per Frachtmasc­hine, Zusammenba­u und Modernisie­rung bis zu zwei Millionen kosten, wird geschätzt.

Am 18. Oktober 2017 soll die „Landshut“an ihrem neuen Standort im Dornier-Museum in Friedrichs­hafen stehen – pünktlich zum 40. Jahrestag der Befreiung der Maschine.

91 Menschen waren an Bord, als die Lufthansa-Maschine entführt wurde.

QUELLE dpa

Produktion dieser Seite: Iris Neu-Michalik, Robby Lorenz Fatima Abbas

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FOTOS: DPA/IMAGO Diana Müll (l.), Passagieri­n in der „Landshut“, und der damalige Co-Pilot Jürgen Vietor. Rechts die schrottrei­fe Lufthansa-Maschine.

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