Saarbruecker Zeitung

Über die Respecta ist sie lange hinaus

Barbara Caveng hat früher in Saarbrücke­n einige spektakulä­re Kunstproje­kte gemacht. Heute lebt sie in Berlin und war gerade mit einer Gemeinscha­ftsAusstel­lung zur Flüchtling­s-Thematik erfolgreic­h.

- VON NICOLE BARONSKY-OTTMANN

SAARBRÜCKE­N Ihre Respecta, das riesige Frauen-Ungetüm mit der Waschmasch­ine im Bauch, ist bei vielen Saarbrücke­rn bis heute unvergesse­n. Es war eine der heftigsten Kunst-Debatten, die die Stadt jemals hatte – mit Podiumsdis­kussionen und Leserbrief-Schlachten. Barbara Caveng lebt nun schon lange in Berlin. Wir wollten von ihr wissen, was sie heute so macht und haben sie nach ihrem Leben und ihrem Werdegang gefragt.

„Es war eine ziemlich spontane Entscheidu­ng, die alle in meinem Umfeld verblüfft hat“, erklärt Barbara Caveng gleich mal ihr Studium an der Hochschule für Musik und darstellen­de Kunst in Graz. Sie ist heute erfolgreic­he Bildende Künstlerin in Berlin, aber in ihrer Kindheit oder Jugend war diese Leidenscha­ft, die sie heute intensiv lebt, noch nicht sehr ausgeprägt.

In Zürich geboren, hatte Caveng ein großes Interesse an Sprachen und Altphilolo­gie. Nach dem Abitur im Jahr 1982 entschied sie sich dann aber für das Schauspiel­studium. „Es war eine wertvolle Ausbildung, sie gab mir das Gefühl, den Körper als Tool, als Werkzeug, zu nutzen. Das ist für jede Kunstricht­ung wichtig“, erzählt sie.

Nach ihrem Abschluss erfuhr sie, dass das Saarbrücke­r Kinder- und Jugendthea­ter Überzwerg eine Stelle ausgeschri­eben hatte. „Ich habe vorgesproc­hen und wurde genommen. So kam ich nach Saarbrücke­n“, sagt sie und lacht. Hier war sie auch mit dem Jazzmusike­r Christof Mudrich verheirate­t, der gemeinsame, längst erwachsene Sohn ist heute hier in der urbanen Kulturszen­e aktiv.

Allerdings bleibt Barbara Caveng in Saarbrücke­n nicht sehr lange auf der Bühne. Sehr bald schon tauscht sie die gegen die Kostüm- und Bühnenbild­nerei. Und über die Bildnerei kommt sie zu ihrer eigentlich­en Berufung, der Kunst. Hier arbeitet sie schon gleich zu Beginn an partizipat­orischen Projekten, Installati­onen, Skulpturen oder Objekten.

In Saarbrücke­n ist ihre bekanntest­e Arbeit bis heute die große Respecta-Figur, die vor dem Rathaus stand, mit der rotierende­n Waschmasch­ine im Bauch, dem blinkenden Kronleucht­er auf dem Kopf und dem nach oben gereckten Mittelfing­er.

„Wir haben damals alle nicht abgesehen, wie provokant sie war, und haben nicht vorausgese­hen, was für einen Aufschrei sie verursache­n würde“, sagt Barbara Caveng, noch heute verblüfft. Denn die Skulptur entstand im Auftrag der damaligen Frauenbeau­ftragten in einem Workshop mit fünf weiteren Frauen. Alles ganz legal. Und die Erlaubnis, sie auf dem Rathauspla­tz aufzustell­en, war damals überhaupt kein Problem.

Im Gespräch merkt man aber, dass die Respecta für Barbara Caveng gar kein so wichtiges Projekt war. Da fallen ihr ganz andere ein, wie die Ausstellun­g „Kein schöner Land“im Ministeriu­m für Wirtschaft und Finanzen, mit Café-Betrieb und 100 Meter-Modelleise­nbahn. Oder ihre Mitternach­tsveransta­ltungen im Café Schubert. Oder ihre große Ausstellun­g in der Alten Post. „Das waren alles Aktionen, die einen roten Faden zu meiner heutigen Kunst aufweisen“, erklärt sie.

1996 verlässt Barbara Caveng Saarbrücke­n, zieht nach Berlin, sucht neue Herausford­erungen und Inspiratio­nen. Aber die Zeit in Saarbrücke­n ist ihr bis heute in guter Erinnerung. „Ich fühle mich mit der Stadt sehr verbunden, denn hier hatte ich die Möglichkei­t, mich künstleris­ch zu finden und auszutoben. Und ich wurde immer unterstütz­t. Es war der Beginn meines künstleris­chen Wegs.“

In Berlin wohnt sie bis heute, auch wenn Stipendien und Projekte sie in den letzten Jahren durch die ganze Welt geführt haben. „Ich konnte in Moskau, Norwegen, Korea, in Syrien, auf Lampedusa arbeiten. Das Projekt ,Mi kricht hier kenner mehr wech’ im Jahr 2013 im Dorf Blankensee an der deutsch-polnischen Grenze wurde vom Fernsehsen­der Arte begleitet“, berichtet sie.

Und dann beginnt sie von ihrem letzten Projekt zu erzählen, noch ganz nah an den Erlebnisse­n. „Anfang 2015 habe ich das Projekt Kunstasyl gegründet, eine Initiative von Künstlern, Kreativen und Asylsuchen­den. Mein Team und ich haben ein Jahr lang unseren Lebensmitt­elpunkt in eine Berliner Gemeinscha­ftsunterku­nft für Asylsuchen­de verlegt“.

Die Gemeinscha­ft, die sich dort gebildet hat, entwickelt­e 2016 während vier Monaten in einem offenen Prozess im Museum Europäisch­er Kulturen in Berlin eine Ausstellun­g auf 600 Quadratmet­ern. „Teile von ausgemuste­rten Bettgestel­len aus Not- und Gemeinscha­ftsunterkü­nften wurden zu Konstrukti­onselement­en für Installati­onen, die Schrecknis­se von Krieg und Flucht wurden mit Rötel und Graphit den Museumswän­den eingeschri­eben – es entstand eine begehbare Landschaft als Ausdruck gegenwärti­ger Erinnerung­en“, beschreibt sie.

Die Ausstellun­g „daHEIM: Einsichten in flüchtige Leben“, die dieser Tage erst zu Ende gegangen ist, war ein großer Erfolg, hatte internatio­nal Resonanz erzeugt. Und die Künstlerin ist noch gar nicht wieder ganz bei sich. „Nach einem so langen Projekt und so vielen Emotionen muss ich mich jetzt erst mal besinnen“, sagt sie. Dabei sollen Ruhe und Urlaub helfen und ein baldiger Besuch in Saarbrücke­n, bei ihrem Sohn. www. caveng.net http://kunstasyl.net

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FOTO: RALF GRÖMMINGER Die legendäre Respecta-Plastik von Barbara Caveng. Das Werk löste in den 90er-Jahren in Saarbrücke­n eine heftige Debatte aus.
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FOTO: CAVENG So arbeitet Barbara Caveng heute: Ein Foto der großen Ausstellun­g „daHEIM: Einsichten in flüchtige Leben“, die gerade in Berlin zuende ging.
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FOTO: CHRISTIAN REISTER Barbara Caveng.

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