Saarbruecker Zeitung

Unbekümmer­t gegen die Übermacht

Mittelstre­cklerin Konstanze Klosterhal­fen gilt bei der WM in London als Geheimtipp, hat aber extrem starke Konkurrenz aus Afrika.

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(sid) Konstanze Klosterhal­fen lässt sich so schnell nicht aus der Ruhe bringen. Keine schlechte Voraussetz­ung für ihre erste große Meistersch­aft als absolute Weltklasse­läuferin. Denn für das Ausnahmeta­lent kommt es bei der WM in London knüppeldic­k: Der ewige Streitfall Caster Semenya, Weltrekord­lerin Genzebe Dibaba, Olympiasie­gerin Faith Kipyegon – härter könnte die Konkurrenz über 1500 Meter nicht sein. Doch „Koko“lächelt den Druck einfach weg.

„Ach, natürlich schaue ich ein wenig auf die anderen. Ich laufe ja nicht alleine“, sagt die 20-Jährige vor ihrem heutigen Vorlauf (20.35 Uhr/ Eurosport): „Aber vor allem will ich mich auf mich konzentrie­ren. Und dann schaue ich mal, was geht.“Zuletzt ging viel bei Klosterhal­fen, vor allem bei ihrer jüngsten Begegnung mit den afrikanisc­hen Branchenfü­hrerinnen. In Rom rannte das 1,74 Meter große und 48 Kilo schwere Persönchen Anfang Juni im Reigen der Kraftbolze­n nonchalant mit, am Ende stand mit 3:59,30 Minuten die beste Zeit einer deutschen Läuferin seit der Wiedervere­inigung. „Ich bin näher an die Afrikaneri­nnen herangekom­men, aber es ist noch ein Stück Abstand“, sagt Klosterhal­fen, die unbekümmer­t, aber auch realistisc­h ist: „Nach London fahre ich ohne große Erwartunge­n, schaue von Runde zu Runde.“

Das Halbfinale, das sie im Vorjahr bei Olympia in Rio erreichte, sollte es schon sein, das Finale wäre ein satter Erfolg. „Ich war noch nie bei einer WM, da wird jedes Rennen eine neue Herausford­erung“, sagt Klosterhal­fen, die in London auch über 5000 Meter antritt: „Die Konkurrenz-Situation ist eine ganz andere.“Dafür sorgt vor allem eine, die mit ihrer Bestzeit über zweieinhal­b Sekunden hinter Klosterhal­fen liegt: Südafrikas 800-Meter-Olympiasie­gerin Semenya wagt in London den Doppelstar­t (auch 1500 Meter). Damit dürfte sich auch die Diskussion um die 26-Jährige verdoppeln und die Testostero­n-Debatte um hyperandro­gene Leichtathl­etinnen wieder Fahrt aufnehmen.

Semenya war im WM-Jahr nicht schneller als Klosterhal­fen – das schafften nur vier andere: Die gebürtige Äthiopieri­n Sifan Hassan (Niederland­e/3:56,14), die Kenianerin­nen Kipyegon (3:57,11) und Winny Chebet (3:59,16) sowie Äthiopiens Topstar Dibaba (3:57,82). Dass die Leverkusen­erin als Europas Antwort auf Afrika gehandelt wird, „belastet mich nicht“, sagt Klosterhal­fen: „Ich laufe einfach nur. Wenn andere mich dafür toll finden, ist das zwar komisch, aber auch schön.“

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FOTO: IMAGO Bei der U23-EM gewann Konstanze Klosterhal­fen quasi ohne Konkurrenz und Mühen den Titel über 1500 Meter. In London wird es härter.

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