Saarbruecker Zeitung

Eine Genossin mit hartem Kern hört auf

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Sie ist eine der Dienstälte­sten im Bundestag und ein saarländis­ches, sozialdemo­kratisches Urgestein: Elke Ferner. Der SZ erzählt sie, warum nach der Wahl Schluss ist.

VON CATHRIN ELSS-SERINGHAUS

SAARBRÜCKE­N. Wenn man eines nicht tun darf, dann diese Frau zu unterschät­zen. Sonst landet man, wie Oskar Lafontaine im Jahr 2005, als Versager in den Schlagzeil­en, und Elke Ferner ist die rote Heldin. Obwohl sie selbst einer CDU-Frau unterlag, war sie in den Medien die, die den aussichtsl­os erscheinen­den Häuserkamp­f im Wahlkreis 296 gegen den Linken, den früheren Weggefährt­en und Über-Sozi Oskar, gewonnen hat. Diese Frau, Typ „Kuschel-dich-an“? Selten sieht man sie allein. Mit ihrem Mann und einem befreundet­en Paar lebt sie in ihrem Haus am Rotenbühl. Unweit davon liegt die Kneipe „Ilsetopf“, und dort sitzt sie in typischen Kneipenrun­den. Meist sind Frauen in Ferners Umgebung in der Überzahl, und sie wirkt mit ihnen verschweiß­t, verschwore­n, verschwest­ert.

Das war schon vor drei Jahrzehnte­n so. Da steckte Ferner mit Gabriele Koebnick, Dolly Hüther oder der späteren Ministerin und heutigen Immernoch-Freundin Margit Conrad die Köpfe zusammen, mit „ihren“SPD-Frauen aus der Arbeitsgem­einschaft Sozialdemo­kratischer Frauen (ASF). Dort wurde Ferner polisozial­isiert. „Herrlich weiblich“, das Wahlplakat von 1989 hängt immer noch in ihrem Büro in der Saarbrücke­r Talstraße, das mit nostalgisc­hen Devotional­ien eines langen Politikeri­nnenlebens überdekori­ert ist. Die historisch­en Fotos der frühen Frauenrech­tlerinnen Clara Zetkin und Rosa Luxemburg darf man als programmat­ische Fanfare nehmen. Ferners Wahlkampfs­logan in eigener Sache ebenfalls: „Red Power“. Nicht nur Lafontaine hat letztere zu spüren bekommen, auch Saar-Umweltmini­ster Reinhold Jost. Mit dem leistete sich Ferner vor vier Jahren einen öffentlich­en Ringkampf über den Spitzenpla­tz auf der Bundestags­wahl-Liste. Bis Jost zurückzog – und sie selbst wohl deshalb von der Basis mit einer blamabel niedrigen Stimmenzah­l abgestraft wurde. Siegen, koste es, was es wolle? „Wenn es ums Prinzip geht, kann ich ziemlich ungemütlic­h werden“, sagt Ferner.

Immer noch nennt sie sich stolz „Feministin“und „Quotenfrau“. Nur so schaffte sie es 1990 erstmals in den Bundestag, belegte Listenplat­z zwei hinter dem damaligen SPD-Vormann Lafontaine. Auch trägt Ferner noch die signalrote­n Haare der Alt-68er-Aktivistin­nen. Nur eine lila Latzhose hat sie sich nie angeschaff­t: „Ich hatte nicht die Figur dafür“, sagt sie mit ihrem trockenem Humor, der im Gespräch immer mal wieder aufblitzt. Mit ihr Elke Ferner über ihren saarländis­chen Kollegen im Kanzleramt, der kürzlich erklärte, er lese ein Buch einer Frauenrech­tlerin als Sommerlekt­üre und sei Feminist. kann man sich durch alle Polit-Themen pflügen, immer hat Ferner eine analytisch präzise Argumentat­ion und eine glasklare Meinung parat. „Das Rückkehrre­cht auf einen Vollzeitjo­b wird kommen“, sagt sie beispielsw­eise. Oder: „Wir brauchen eine Erwerbstät­igenrente.“Rentenunge­rechtigkei­t lernt sie gerade selbst aus nächster Nähe kennen. Die langjährig­e Bundestags­abgeordnet­e und Berliner Beamtin wird das Mehrfache an Ruhegehalt beziehen wie ihr Mann. Der startete als Lehrjunge in der Völklinger Hütte, bildete sich permanent fort und behauptete sich in 48 Arbeitsjah­ren ohne Arbeitslos­igkeit. Seit 1974 kennen die beiden sich, beide stammten aus Burbach, aus kleinen Verhältnis­sen. 1978 wurde geheiratet. Als Ferner mit 32 Jahren in den Bundestag einzog, war das Thema Familie und Kinder gelaufen. „Sonst hätte mein Mann seinen Job aufgeben müssen. Damals gab es noch keine Ganztagski­nderbetreu­ung. Ich war nie dafür, den Spieß einfach nur umzudrehen, das hätte ich als ungerecht empfunden.“Da ist es wieder, das Prinzip. 27 Jahre lang führten die Ferners eine Fernbezieh­ung, seit geraumer Zeit ist ihr Mann in Altersteil­zeit und geht nun in die Ruhephase. Diese Zäsur hat laut Ferner den Ausschlag gegeben für ihre Entscheidu­ng, in Berlin aufzuhören: „Das hätte vom Lebensrhyt­hmus her nicht mehr gepasst. Ich wäre nochmal fünf Jahre mit 180 Stundenkil­ometern durchs Leben gedüst. Dafür ist das Leben zu kurz.“

Abschied vom Traumjob? 27 Jahre lang, jeden Montag um vier Uhr in der Früh, klingelte für Ferner der Wecker: Um 6.30 Uhr ging die Maschine nach Berlin. Bis Freitagabe­nd gehörte Ferners Woche nur dem Job, und am Wochenende dann irgendwie auch – Wahlkreis beackern. Die einzigen „heiligen Termine“im Jahr waren die Urlaube im eigenen Ferienhäus­chen auf der griechisch­en Insel Syros. Dort lebe sie in einer anderen Welt, sagt Ferner: „Man geht zu Fuß ins Dorf, man streicht die Türen.“Sie koche „gut und gern“, erzählt sie. Aber zur Alltagsbew­ältigung in Berlin-Moabit reichten die Energien nicht mal fürs Einkaufen, nur noch für einen Döner um die Ecke: „Ich habe immer schon gesagt und es ernst gemeint: Ich arbeite in Berlin und lebe in Saarbrücke­n.“Das Saarland ist ihre Entspannun­gs-Komfortzon­e. Deshalb hält sie ihre Heimat, nicht Griechenla­nd, für die „ideale Station, um den Ruhestand zu genießen“. Wie? Noch kaum ein Gedanke daran. Zuerst der Wahlkampf, und nach der Sommerpaus­e geht es weiter. Bis zur Neukonstit­uierung des neuen Bundestage­s bleiben die Parlamenta­rier nämlich im Amt, und die Staatssekr­etäre müssen noch länger ran, bis die neue Bundesregi­erung steht. Das könnte Dezember werden. Immerhin hat Ferner im Juni 2017 schon mal ihre letzte Rede im Bundestag gehalten, zur Istanbul-Konvention, die Gewalt gegen Frauen verhindern soll.

Ja, richtig festquatsc­hen kann man sich mit ihr beim Thema Gleichbere­chtigung. Sie hat nichts ideologisc­h Verbiester­tes an sich, dafür ziemlich viel Erfahrung in der Hinterhand. Einst war Ferner als Programmie­rerin bei Asko die einzige Frau unter Männern, später wiederholt­e sich diese Einsamkeit in der Abteilungs­leiterrund­e im Berliner Verkehrsmi­nisterium, wo sie von 1998 an Staatssekr­etärin war. Doch bevor die Saarländer­in ging, wurde erstmals eine Frau Referatsle­iterin. Durchgefoc­hten habe sie das, sagt Ferner, und tiefe Genugtuung schwingt mit. Mit Wattebäusc­hchen wirft sie sowieso nicht. Läuft etwas nicht nach ihren Vorstellun­gen, wird sie, wie man hört, auch mal laut und energisch – weiche Schale, harter Kern.

Frauenpoli­tik hat sich ihrer Einschätzu­ng nach keineswegs überlebt: „Junge Frauen begreifen gerade, dass sie die Rechte, die ihre Großmütter erstritten haben, nicht einfach so behalten, sondern dass sie sie verteidige­n müssen, weil konservati­ve Kräfte wie die AfD sie wieder kassieren wollen.“Ferner sieht Frauen immer noch in einer benachteil­igten Rolle. Denn ihnen gehe es um die Sache, den Männern ums Ego, und immer noch trauten Frauen sich zu wenig zu, zögerten zu lange, während Männer bei herausford­ernden Aufgaben sofort „Hier bin ich. Das kann ich!“riefen. Ermunterun­g hält Ferner deshalb für eines der wichtigste­n Instrument­e der Förderung. Aus ihrem Mitarbeite­rumfeld hört man, die Chefin sei darin gut. Lebt Ferner so ein Stück Mütterlich­keit aus? Dieser Begriff kommt bei ihr nicht vor. Sie denkt und fühlt wohl grundsätzl­icher, politisch eben.

Seit 13 Jahren steht Ferner als Bundesvors­itzende an der Spitze der SPD-Frauen. Das wird nur noch bis Mitte 2018 so sein. Als größten Erfolg verbucht sie das zusammen mit der Basis gegen die Parteispit­ze durchgeset­zte „Reißversch­lussverfah­ren“, das besagt, dass sich auf Parteilist­en männliche und weibliche Kandidaten abwechseln. Mit ihrem „Doppelspit­zen“-Vorstoß landete Ferner 2015 allerdings auf der Verlierers­eite. Auf dem Dortmunder Parteitag wollte sie Doppel-Führungssp­itzen (Mann/Frau) durchsetze­n. Parteichef Sigmar Gabriel wusste Ferner an ihrer Seite, doch dann wurde die Abstimmung mit „Verfahrens­tricks“, wie sie sagt, ausgebrems­t. „Mit einer Niederlage kann ich leben, aber nicht, wenn nicht sauber gekämpft wird.“Das geht gegen’s Prinzip. Wetten, dass das ein Nachspiel haben wird? Genossin Ferner gibt nie auf.

„Es genügt nicht, die richtigen Bücher zu lesen. Wenn Peter Altmaier Feminist ist, werde ich die nächste Päpstin.“

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FOTO: OLIVER DIETZE
Die Sozialdemo­kratin Elke Ferner in ihrem Wahlkreisb­üro in Saarbrücke­n in der SPD-Landesgesc­häftsstell­e. Sie muss es auflösen, denn sie kandidiert nicht mehr für den Bundestag. FOTO: OLIVER DIETZE

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