Saarbruecker Zeitung

Zwei-Ämter-Affäre, 3. Teil - kein Bagger in Sicht

Umstritten­es Projekt am Eurobahnho­f stockt. Das Baugelände ruht im Dornrösche­nschlaf. Beschwerde liegt beim Oberlandes­gericht.

- VON JÖRG LASKOWSKI

Starke Nerven sind das A und O, wenn einer baut – egal ob Flugplatz oder Reihenhaus. Was schiefgeh’n kann, das geht auch schief. Fast immer. Und wär’ der Bauherr noch so klug. Er muss es doch erleiden. Beim Bauen sind sogar Behörden schon gescheiter­t – oder mussten lange, lange warten. Ja, und noch länger kann es dauern, wenn man sich etwas mietet, das noch gar nicht steht. Ein Musterbeis­piel dafür ist der Regionalve­rband (RV ) – dessen Zwei-Ämter-Affäre gerade wieder Fahrt aufnimmt. Worum geht’s? Viele Jahre suchte der RV ein Gebäude, wo er sein Jugendamt und sein Sozialamt gemeinsam unterbring­en kann. Das Jugendamt logiert bislang in der Heuduckstr­aße 1 in einem Haus, das der Ruhegehalt­s- und Zusatzvers­orgungskas­se des Saarlandes (RZVK ) gehört. Das Sozialamt ist in der Talstraße 2 in einem Haus, das dem RV gehört. Beide Gebäude lassen laut RV zu wünschen übrig.

Anfang 2015 schien die Lösung nah. Die Firma Immobilien­verwaltung Poststraße Saarbrücke­n (IPS) bot dem RV ein Gebäude für die beiden Ämter an, die alte Oberpostdi­rektion in Malstatt. IPS und RV verhandelt­en lange, die IPS sah sich schon am Ziel. Doch dann entschied sich die Regionalve­rsammlung im Juni 2015 in geheimer Sitzung überrasche­nd für ein anderes Angebot. Das kam von der Gesellscha­ft für Innovation und Unternehme­nsförderun­g (Giu) – und die gehört der Stadt Saarbrücke­n.

Aber das Angebot der Giu hatte einen Haken: Das Haus, das sie vermieten will, muss erst noch gebaut werden. Allerdings – so versichert­e der RV damals der SZ – wolle die Giu das Gebäude so gestalten, dass es den Bedürfniss­en der beiden Ämter optimal gerecht wird.

Und hier geriet das Ganze zur Affäre. Der Europäisch­e Gerichtsho­f (EuGH) hat nämlich am 10. Juli 2014 entschiede­n: Wenn die öffentlich­e Hand ein Gebäude mietet, das nach ihren Vorgaben gebaut wird, dann ist das ein verdeckter Bauauftrag, und der muss ausgeschri­eben werden. Bei Mietverträ­gen für existieren­de Gebäude ist das nicht nötig.

Dazu erklärte RV-Dezernent Werner Jenal 2015: „Dieses Urteil betrifft uns nicht.“Die IPS sah das anders und legte Beschwerde bei der Vergabekam­mer des Saarlandes ein. Die wiederum stellte fest: Das Urteil des EuGH gilt auch in Saarbrücke­n.

Trotzdem durfte der RV seinen Mietvertra­g mit der Giu behalten, denn die Kammer sagte auch: Das Giu-Angebot war billiger und hätte selbst bei einer Ausschreib­ung den Zuschlag erhalten müssen.

Nun konnte die Giu loslegen. 2016 schrieb sie ihr Projekt (Planung und Bau in einem) europaweit aus – das muss sie, weil sie ja der Stadt gehört. Aber kaum hatte sie entschiede­n, wen sie beauftrage­n wollte, da kam das nächste Problem.

Zwei Firmen, die leer ausgingen, legten bei der Vergabekam­mer Beschwerde gegen die Entscheidu­ng der Giu ein. Da hob die Giu ihre Ausschreib­ung auf — erklärte sie also samt Ergebnis für ungültig. Auch dagegen legten die beiden Firmen wieder Beschwerde ein. Und eine der Firmen zog sogar vors Oberlandes­gericht. Dessen Entscheidu­ng steht noch aus.

Und deshalb ruht der Bauplatz bis heute im Dornrösche­nschlaf. Obwohl das neue Haus im Dezember 2017 bezugsfert­ig sein sollte.

Müssen die Mitarbeite­r der beiden Ämter nun bald im Freien ihre Schreibtis­che aufstellen? Der RV gibt Entwarnung. Die Ämter bleiben einstweile­n, wo sie sind. „Der Einzug des Jugendamte­s und des Sozialamte­s in das neue Dienstgebä­ude am Eurobahnho­f wird frühestens Mitte 2019 erfolgen können. Die bestehende­n Mietverträ­ge des RV sind so gestaltet, dass dem RV durch die Verzögerun­gen keine zusätzlich­en Kosten oder andere Nachteile entstehen.“

Und was ist mit der Giu? Hätte sie die Verzögerun­gen vermeiden können? Entstehen ihr finanziell­e Nachteile? Schließlic­h gehört sie der Stadt, und die Stadt steht für Verluste der Giu gerade. Die SZ hakte nach. Gemäß Landespres­segesetz und gemäß Urteil des Bundesgeri­chtshofes vom 10. Februar 2005 sind Firmen „deren sich die öffentlich­e Hand zur Erfüllung öffentlich­er Aufgaben bedient“dem Volk zur Rechenscha­ft verpflicht­et.

Die Giu erklärte Folgendes: Erstens, sie habe nicht den Auftrag, „ein Gebäude zu errichten, in dem der RV sein Sozialamt und sein Jugendamt unterbring­en will“. Zwischen RV und Giu existiere ein Mietvertra­g, und zu dessen „Erfüllung errichtet die Giu einen Neubau zur Nutzung als Verwaltung­sgebäude“am Eurobahnho­f. Grundstück und Haus bleiben Eigentum der Giu. Noch sei der Bau nicht genehmigt. Eine europaweit­e Ausschreib­ung werde vorbereite­t. Zum Vorgang am Oberlandes­gericht will die Giu nichts sagen, weil das ein schwebende­s Verfahren ist. Auch auf die Frage nach finanziell­en Folgen für die Giu erhielt die SZ keine Antwort.

„Dieses Urteil betrifft

uns nicht.“

Werner Jenal

Regionalve­rbandsdeze­rnent

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FOTO: IRIS MAURER Auch hier gilt: Sie sehen, dass Sie nichts sehen - obwohl das neue Gebäude für Sozialamt und Jugendamt des Regionalve­rbandes auf diesem Gelände am Saarbrücke­r Eurobahnho­f schon im Dezember bezugsfert­ig sein sollte.

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