Storl will im Ring wieder richtig böse sein
Der deutsche Kugelstoß-Star hat bei der WM ein großes Ziel: das für ihn desaströse Abschneiden bei Olympia vergessen machen.
(dpa) Mit 21 Jahren wurde David Storl als jüngster Kugelstoß-Weltmeister der Leichtathletik-Geschichte gefeiert. Mit 26 erlebte er bei den Olympischen Spielen in Rio de Janeiro seinen Tiefpunkt. „Ich muss was tun, um wieder Lust am Kugelstoßen zu bekommen, sonst höre ich auf. Ich will nicht nur irgendetwas sein“, sagt der Leipziger. Mit Hilfe seines Mentaltrainers Matthias Große, Lebensgefährte von Eisschnelllauf-Olympiasiegerin Claudia Pechstein, soll es bei der Weltmeisterschaft in London nun aufwärts gehen. Und das muss er gleich an diesem Samstag in der Qualifikation (ab 11 Uhr) und im Finale am Sonntag (20 Uhr) unter Beweis stellen.
Zwei Mal Weltmeister, drei Mal Europameister, Olympia-Zweiter 2012, Vizeweltmeister 2015 – da fällt es einem wie Storl schwer, den siebten Platz in Rio de Janeiro zu akzeptieren. Mürrisch und auch ratlos, so erlebten Beobachter ihn in den Monaten danach. Nur im Kreise seiner Familie, mit Frau Marie und Sohn Jaro, lächelte er – im Ring selten.
Storl ist kein Mann der großen Ankündigungen und schon gar keine Plaudertasche. Wenn er mit Große an einem Tisch sitzt wie kürzlich beim Medientag des Deutschen Leichtathletik-Verbandes in Kienbaum, dann ist die Rolle des Wortführers klar verteilt. „Um Olympiasieger in Tokio zu werden und 23 Meter zu stoßen, haben wir noch viel Arbeit vor uns“, sagt sein breitschultriger neuer Betreuer. Angesichts seiner sportlichen Leistungen in den vergangenen Monaten klingt das schon sehr forsch und mutig.
„Das letzte Jahr war gesundheitlich schwierig und ist mit nur 20,64 Metern bei Olympia gegipfelt. Da ist es schwierig, wieder hochzukommen, weil man sich auch nach hinten orientiert“, erklärt Storl selbst: „Durch die Zusammenarbeit mit Matthias kann ich mich wieder besser nach vorne orientieren, und ich kann mir Ziele setzen.“
Die sind allerdings bescheidener geworden. Zumindest für London. Große spricht unkonkret von einem „Ergebniskorridor“, Storl selbst sagt: „Ich möchte um eine Medaille kämpfen.“Mit einer Vorleistung von 21,87 Metern geht er in die WM. Damit ist er die Nummer acht der Welt. Gold scheint für einen übermächtigen Amerikaner reserviert: Ryan Crouser kam reihenweise über die 22-Meter-Marke und führt die Bestenliste mit 22,65 Metern an.
„Es ist schwierig für David, noch sehr viel höher zu kommen“, sagt Idriss Gonschinska angesichts der Erfolgsliste des früheren Medaillengaranten. Der Cheftrainer des Deutschen Leichtathletik-Verbandes verweist einerseits auf die Knieprobleme und technischen Schwierigkeiten Storls in den vergangenen Jahren. Andererseits erklärt er: „Die Zahl der Drehstoßtechniker hat zugenommen. Die Konkurrenzsituation ist deutlich stärker geworden.“
Dennoch will Storl im Ring wieder mehr Selbstbewusstsein zeigen. „Er ist zu gut und nicht böse genug für das, was er tut. Wenn er sich wieder um sich kümmert, gelingt es wieder“, sagt Große, der sein Engagement so begründet: „Er ist von ganz oben nach unten gefallen und brauchte jemand, der ihn auffängt.“Große will das tun. Zu DDR-Zeiten studierte er an der Militärakademie in Minsk. In der Sportszene ist er längst nicht unumstritten, weil er zuweilen rigoros mit Pechstein-Kritikern umging.
Wird Storl jetzt zu einem jener furchterregenden Kolosse im Kugelstoßring, die böse schauen und wild brüllen? „Ich soll ja nur im Wettkampf böser werden. Ja, ich konzentriere mich mehr, was ich aber wieder lernen musste, nachdem ich im letzten Jahr nur hinterhergeguckt habe“, sagt der Schützling von Trainer Sven Lang und kündigt an: „Bei der WM wird abgerechnet.“