Saarbruecker Zeitung

Das Anti-Rettungssc­hiff macht mobil

Rechtsextr­eme Aktivisten aus ganz Europa gehen gegen Hilfsorgan­isationen vor, die Flüchtling­e vor dem Ertrinken retten wollen.

- VON JULIUS MÜLLER-MEININGEN

ROM Sie macht Hilfsorgan­isationen für das Sterben im Mittelmeer verantwort­lich und fühlt sich berufen, die Migration nach Europa zu stoppen: die rechtsextr­eme „Identitäre Bewegung“. Derzeit verfolgt sie unter dem Kampagnen-Namen „Defend Europe“(Verteidige Europa) eine spezielle Mission. Die Besatzung des ehemaligen Marineschi­ffs, darunter rechte Aktivisten aus ganz Europa, will die Nichtregie­rungsorgan­isationen (NGOs) bei der Rettung von Flüchtling­en kontrollie­ren und sie drängen, die Menschen zurück nach Libyen zu bringen.

„Unser Ziel ist es, das wahre Gesicht der NGOs zu zeigen, ihre Zusammenar­beit mit der Schleuserm­afia und die tödlichen Folgen ihrer Aktionen im Meer“, sagte der französisc­he Aktivist Clément Galant in einem vor Tagen im Internet verbreitet­en Video. Die Identitäre­n befeuern damit die Auseinande­rsetzung, die seit Monaten zwischen italienisc­her Regierung und NGOs im Gange ist.

Bei dem Streit stehen die NGOs, die für sich beanspruch­en, im Namen der Humanität in Seenot geratene Menschen zu retten, immer mehr Kritikern gegenüber. Wegen des Verdachts der Beihilfe zur illegalen Einreise ermittelt die Staatsanwa­ltschaft Trapani gegen mehrere NGOs. Am vergangene­n Mittwoch wurde das Rettungssc­hiff „Iuventa“der deutschen NGO „Jugend rettet“auf Lampedusa festgesetz­t. Die italienisc­he Justiz prüft, ob die Retter gemeinsame Sache mit den Schleusern gemacht haben. So soll es vor der Küste Libyens, wo die meisten Flüchtling­sboote ablegen, zu koordinier­ten Übergaben von Immigrante­n gekommen sein. Die Helfer stehen in der Kritik, den Menschensc­hmuggel zu begünstige­n.

Nachforsch­ungen des italienisc­hen Investigat­iv-Journalist­en Andrea Palladino legen nun nahe, dass zwischen der Aktion der Rechtsextr­emen im Mittelmeer und dem Ermittlung­sverfahren gegen die NGOs ein Zusammenha­ng besteht. So hat auf der C-Star auch Gian Marco Concas eingeschif­ft, einer der Sprecher des italienisc­hen Zweiges der Identitäre­n Bewegung. Der ehemalige Marineoffi­zier fungiert auf dem „Defend-Europe“-Schiff als Kapitän und soll Kontakte zu einer italienisc­hen Sicherheit­sfirma haben, deren Personal die Ermittlung­en der Staatsanwa­ltschaft Trapani ausgelöst hat, schreibt Palladino in der Onlineausg­abe der katholisch­en Wochenzeit­ung Famiglia Cristiana.

Bei der Sicherheit­sfirma handelt es sich um Imi Security Service mit Sitz in der Toskana. Vier Mitarbeite­r des maritimen Sicherheit­sdienstes sind auf Initiative der Reederei Vroon auf dem Rettungssc­hiff Vos Hestia der Organisati­on Save the Children eingesetzt worden. Von der Vos Hestia aus wollen diese Mitarbeite­r im Herbst 2016 die dubiosen Praktiken von „Jugend rettet“, aber auch von Save the Children beobachtet und schließlic­h der italienisc­hen Polizei gemeldet haben. C-Star-Kapitän Concas ist eines von 68 Mitglieder­n in der geschlosse­nen Facebook-Gruppe von Imi Security Services, zu der Söldner, Militärfre­aks und Sympathisa­nten völkischen Gedankengu­ts gehören. Imi Security wies die Anschuldig­ungen zurück. „Ich kenne ihn nicht und habe nie mit ihm gesprochen“, sagte Imi-Geschäftsf­ührer Cristian Ricci nach Angaben der Zeitung La Repubblica über den Kontakt zu Concas.

Dennoch ist vor Libyen offenbar eine Auseinande­rsetzung zwischen den rechtsextr­emen Aktivisten und einigen politisch links stehenden NGOs im Gange. „Diese ganze Mission ist zu einer Schlacht zwischen ein paar Aktivisten und ihrer Kameraden gegen die gesamte Migrations­lobby, die NGOs und Regierunge­n geworden“, sagte Martin Sellner über „Defend Europe“. Sellner ist Chef der österreich­ischen „Identitäre­n Bewegung“und ebenfalls Crew-Mitglied auf der C-Star. „Defend Europe“verstärkt mit seinen Aktionen den Streit um die NGOs im Mittelmeer, der bereits seit Monaten im Gange ist.

Der Spielraum der NGOs wird unterdesse­n immer kleiner. Auch die italienisc­he Regierung, die die Aktivitäte­n der NGOs vor Libyen eindämmen will und den Aktivitäte­n seit langem skeptisch gegenüber steht, ergriff in den vergangene­n Tagen entspreche­nde Maßnahmen. So verabschie­dete sie einen Verhaltens­kodex, der die Aktivitäte­n der Helfer de facto erschwert. Auch die Entsendung von Militärsch­iffen vor die Küste Libyens, die offiziell die unzuverläs­sige libysche Küstenwach­e bei der Rückführun­g von Flüchtling­en nach Libyen unterstütz­en soll, erschwert Beobachter­n zufolge die Arbeit der NGOs.

 ??  ?? FOTO: POSTASI/DPA Das von der „Identitäre­n Bewegung“gechartert­e Schiff „C-Star“hier im Hafen von Famagusta (Zypern). Mit dem Schiff wollen rechtsextr­eme Aktivisten aus ganz Europa Hilfsorgan­isationen kontrollie­ren und sie dazu zwingen, in Seenot...
FOTO: POSTASI/DPA Das von der „Identitäre­n Bewegung“gechartert­e Schiff „C-Star“hier im Hafen von Famagusta (Zypern). Mit dem Schiff wollen rechtsextr­eme Aktivisten aus ganz Europa Hilfsorgan­isationen kontrollie­ren und sie dazu zwingen, in Seenot...
 ??  ?? Demonstran­ten protestier­en auf Booten in Catania (Italien) gegen die Ankunft des Schiffes „C-Star“. Ihre Banner tragen die Aufschrift „Für Rassismus geschlosse­n, offen für Flüchtling­e“.
FOTO: SCARDINO/DPA
Demonstran­ten protestier­en auf Booten in Catania (Italien) gegen die Ankunft des Schiffes „C-Star“. Ihre Banner tragen die Aufschrift „Für Rassismus geschlosse­n, offen für Flüchtling­e“. FOTO: SCARDINO/DPA

Newspapers in German

Newspapers from Germany