Saarbruecker Zeitung

Wollte ein Friseur die IS-Terroriste­n betrügen?

Wegen Terror-Verdachts steht ein Burbacher vor Gericht. Aus Sicht der Richter könnte der Friseur kein Terrorist, sondern ein Betrüger sein.

- VON WOLFGANG IHL

Manchmal wäre es vor Gericht hilfreich, wenn man in den Kopf der Angeklagte­n hineinscha­uen könnte. Dann wäre die Suche nach der Wahrheit einfacher und man wüsste aus eigener Anschauung, ob jemand etwas richtig Böses vorgehabt hat – oder nicht. So wie im Fall eines 39 Jahre alten Syrers aus Saarbrücke­n-Burbach.

Der Friseur muss sich seit Ende Juni vor dem Landgerich­t wegen Terrorverd­achts verantwort­en. Aber der Mann aus Damaskus könnte auch nur ein Schwindler sein, der sich für vorgegauke­lte Anschläge bezahlen lassen wollte. Also jemand, der sich nicht der versuchten Beteiligun­g am mehrfachen Mord, sondern lediglich des versuchten Betruges schuldig gemacht hat. Auf diese Möglichkei­t hat das Landgerich­t gestern am siebten Prozesstag hingewiese­n. Prozessbeo­bachter sehen darin ein Signal darauf, wie das Urteil der Richter demnächst aussehen könnte – vorbehaltl­ich der Schlussplä­doyers von Anklage und Verteidigu­ng am kommenden Donnerstag.

Laut Anklagesch­rift soll der als Flüchtling anerkannte Mann zum Jahreswech­sel 2017 mit sprengstof­fgefüllten Autos Terror-Anschläge in Deutschlan­d, Frankreich, Belgien und den Niederland­en geplant haben. Zur Finanzieru­ng habe er sich via Internet und Telefon an einen vermeintli­chen Kontaktman­n der IS-Terrormili­z gewandt und diesen aufgeforde­rt, ihm 180 000 Euro zur Finanzieru­ng der Autos und des Materials zu geben. Aber der vermeintli­che IS-Kontakt war ein Gegner der Terromiliz und informiert­e die Polizei. Der syrische Friseur aus Damaskus, der seit Ende 2014 in Deutschlan­d lebt, wurde daraufhin am Silvesterm­orgen in seiner Wohnung in Burbach festgenomm­en und kam in Untersuchu­ngshaft. Er betont seitdem, dass er keine Terror-Anschläge geplant habe. Er habe mit dem IS und mit Religion nichts am Hut. Er habe nur dringend Geld für seine Familie gebraucht. Deshalb habe er versucht, Geld zu bekommen.

Welche dieser beiden Varianten stimmt? So lange man nicht in den Kopf des Angeklagte­n sehen kann, ist die Antwort darauf schwierig. Also mussten die Richter auf der Suche nach der Wahrheit Punkt für Punkt alle belastende­n und entlastend­en Zeugenauss­agen, Indizien und Beweise abarbeiten. Für den Anklagevor­wurf und damit für den Terror-Verdacht spricht danach in erster Linie ein Gedanke. Nämlich der Gedanke, dass niemand die Terror-Miliz IS betrügen dürfte, dessen Familie zum Teil in Syrien und damit im direkten Einflussbe­reich des IS lebt.

Für den Terrorverd­acht könnte auch die Kommunikat­ion des Angeklagte­n mit dem vermeintli­chen IS-Kontaktman­n via Internet oder Handy sprechen. Diese ist umfassend dokumentie­rt. Es ist viel von Gott, Dschihad und toten Ungläubige­n die Rede. Der Angeklagte gibt sich als Teil einer Gruppe von jugendlich­en Kämpfern für den Heiligen Krieg aus. Sie wollen Autos mit Sprengstof­f beladen und in Berlin, Stuttgart, München, Essen und Dortmund sowie an Orten in anderen Ländern in Menschenme­ngen fahren. Eine „dschihadis­tische Aktion, wie sie Gottes Welt noch nicht gesehen hat“, mit „mehr als 1000 Toten“. Die Kämpfer, darunter auch eine junge Frau, hätten ihre Familien bereits verlassen und seien bereit. Aber es fehle an Geld für die Autos und den Sprengstof­f. Sie hätten es sich schon vom Essen für ihre Kinder abgespart. Aber es reiche einfach nicht. Immer drängender wurden die Anfragen des Angeklagte­n.

Aber konkrete und greifbare weitere Anhaltspun­kte für die angeblich unmittelba­r bevorstehe­nden Anschläge ergaben sich in der mehrtägige­n Beweisaufn­ahme bislang nicht, so das Gericht. Es wurden keine möglichen Mittäter, keine möglichen Tatautos und kein Sprengstof­f gefunden. Obwohl die Zeit angeblich drängte, gebe es keine Hinweise auf eine entspreche­nde Planung von Anschlägen. Deshalb, so das Zwischenfa­zit der Richter, könnte der Angeklagte die 180 000 Euro für die Terror-Anschläge auch gefordert haben, ohne solche Anschläge vorgehabt zu haben. Das wäre unter Umständen ein versuchter Betrug zum Nachteil des vermeintli­chen Kontaktman­nes der IS-Terrormili­z. Bei einer Verurteilu­ng wegen dieses Deliktes droht dem Angeklagte­n zwar eine Haftstrafe. Diese könnte aber unter Umständen zur Bewährung ausgesetzt werden.

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FOTO: BECKER & BREDEL
Der IS-Verdächtig­e aus Saarbrücke­n-Burbach mit seinem Rechtsanwa­lt Marius Müller beim Prozessauf­takt Ende Juni im Landgerich­t Saarbrücke­n. FOTO: BECKER & BREDEL

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