Wo Europa von Afrika lernen kann
Es ist die vierte AfrikaReise von Außenminister Gabriel innerhalb eines halben Jahres. Wieder geht es um die Flüchtlingspolitik.
(dpa) Außenminister Sigmar Gabriel hat schon einige Flüchtlingslager dieser Welt gesehen. Im größten Camp für syrische Flüchtlinge in Jordanien standen ihm die Tränen in den Augen. In dem von jahrzehntelangem Bürgerkrieg zerrütteten Somalia watete er durch knöcheltiefen Schlamm, um zu den notdürftigen Zeltunterkünften zu kommen. Und in Libyen hat er eines der berüchtigten Camps besucht, in die Flüchtlinge eingesperrt werden, die es nicht über das Mittelmeer nach Europa geschafft haben.
Auch bei seinem Besuch in Uganda geht es um Flüchtlinge. Diesmal aber ganz anders. Gestern Vormittag stand Gabriel vor einem Schulgebäude im Rhino Camp, nicht weit von den Grenzen zu den Bürgerkriegsländern Kongo und Südsudan entfernt. Aus den Fenstern winken fröhliche Flüchtlingskinder, die dem Hunger und Elend in ihrer südsudanesischen Heimat entkommen sind.
Statt dicht gedrängter Zelte oder Blechbuden stehen hier weit verstreut Lehmhütten mit Strohdächern oder Backsteinbauten. Dazwischen befinden sich Gemüsegärten, nirgendwo sieht man Zäune, überall ist es grün. Niemand nennt das Rhino Camp Flüchtlingslager – weil sich die Menschen hier frei bewegen können, weil sie arbeiten können und Land zur Bewirtschaftung bekommen. Flüchtlingssiedlung sagt man hier deswegen. Flüchtlinge werden also als Siedler angesehen – zumindest auf Zeit, solange der Bürgerkrieg in ihrer Heimat wütet.
Gabriel zeigt sich beeindruckt. „Es ist auch ein schönes Beispiel dafür, was Länder, die viel ärmer sind als wir in Europa, leisten können“, sagt er an die Adresse derjenigen EU-Staaten, die schon mit der Aufnahme von ein paar hundert Flüchtlingen ein Problem haben. Uganda mit seinen 37 Millionen Einwohnern hat 1,3 Millionen Flüchtlinge aufgenommen, so viele wie kein anderes afrikanisches Land. Fast eine Million kommen aus dem Nachbarland Südsudan, wo Hunger und Bürgerkrieg herrschen.
Immer noch fliehen täglich etwa 1000 weitere Südsudanesen über die Grenze. 85 Prozent davon sind Frauen und Kinder. Aber auch immer mehr Männer kommen. Wenn auch sie ihren Familien ins Ausland folgten, sei das ein Zeichen dafür, dass die Hoffnung auf Frieden in ihrem Land stirbt, sagt man in Uganda.
Das ostafrikanische Land geht in einer Art und Weise mit den Flüchtlingen um, die weltweit als vorbildlich gilt. Das Recht auf Arbeit und die Landbewirtschaftung machen einen Riesenunterschied für die Integration. Gudrun Stallkamp von der Welthungerhilfe, die schon in vielen anderen Krisenländern war, kommt geradezu ins Schwärmen. „Ich finde das wirklich beeindruckend. Es gibt hier eine wahnsinnig offene Einstellung Flüchtlinge aufzunehmen“, sagt sie.Ohne Hilfe von außen geht es aber nicht. Bik Lum vom UN- Flüchtlingshilfswerk UNHCR sagt, für die vier Flüchtlingssiedlungen in der Region müssten die Hilfsmittel bis Ende des Jahres von 50 auf 100 Millionen US-Dollar verdoppelt werden, um die Aufnahme immer noch hunderter Flüchtlinge täglich bewältigen zu können. Gabriel ist grundsätzlich dazu bereit, mehr zu tun. „Wir haben unsere Mittel gerade deutlich erhöht. Wir werden auch sicher in den nächsten Jahren noch mehr tun“, sagt er. Krisenprävention sei schließlich sinnvoller als Geld in Aufrüstung zu stecken.
Und was hatte der Besuch mit dem Wahlkampf zu tun? Jedenfalls ist Gabriel wie SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz der Meinung, dass man das Flüchtlingsthema nicht heraushalten sollte. „Meine große Sorge ist eher, dass wir verschweigen, dass da ein neues Problem herankommt“, sagt er. Er befürchtet, dass sich die Flüchtlingskrise aus dem Jahr 2015 wiederholt. „Wenn wir nichts machen, dann wird Italien irgendwann seine Grenzen öffnen müssen, weil es einfach zu viele sind“, sagt er.