Saarbruecker Zeitung

Die Strategie der Versprödun­g

Neu im Kino: „Helle Nächte“von Thomas Arslan – Dem Roadmovie mangelt es an emotionale­r Nähe

- Von Martin Schwickert

Der Berliner Filmemache­r Thomas Arslan hat sich in seinen Werken stets am Genrekino orientiert, um dessen Gesetze gezielt zu unterminie­ren. Nach dem Gangsterfi­lm („Dealer“), dem Film Noir („Im Schatten“) und dem Western („Gold“) nimmt sich Arslan nun in seinem neuen Film „Helle Nächte“das Roadmovie vor.

Dieses Genre kontrastie­rt seit jeher den lebensbiog­rafischen Stillstand seiner Figuren mit mehr oder weniger abenteuerl­ichen Reisebeweg­ungen, die neue Entwicklun­gen und Beziehungs­dynamiken anschieben. Mit diesen Erzählkonv­entionen spielt „Helle Nächte“natürlich, wenn der Bauingenie­ur Michael (Georg Friedrich) mit seinem pubertiere­nden Sohn von Berlin in den Norden Norwegens reist, um seinen Vater zu beerdigen. Michael hat sich um seinen Sohn nach der Trennung von dessen Mutter wenig gekümmert und versucht nun Bauingenie­ur Michael (Georg Friedrich) will sich mehr um seinen Sohn Luis kümmern. – mit dem Tod des Vaters die Sterblichk­eit vor Augen – seine väterliche­n Versäumnis­se wiedergutz­umachen.

Luis (Tristan Gölbel) ist 14 – ein Alter, in dem Kinder lange genug Erwachsene beobachtet haben, um sie zu durchschau­en. Die unbeholfen­en Annäherung­sversuche des Vaters lässt der Junge konsequent ins Leere laufen – genauso wie sich auch Arslan den Erwartunge­n des Publikums entzieht.

Die Verneinung konvention­eller Erzählmust­er und die Strategie der Versprödun­g ziehen sich als roter Faden durch Arslans Werk. Und so wird auch dieses Roadmovie mit langen ungeschnit­tenen Autofahrte­n durch die nebelumweh­ten Landschaft­en Norwegens gezielt zerdehnt, um in der Bewegung die Stagnation der Beziehung mit einzufange­n.

Solche narrativen Theoriespi­ele lässt man sich gerne gefallen, wenn ein Film darüber hinaus etwas zu sagen hat. Aber „Helle Nächte“hat einfach zu wenig Fleisch an seinen Figuren und bleibt auf zunehmend langweilen­de Weise im Klischeeko­nflikt zwischen verantwort­ungsscheue­n Midlife-Crisis-Vater und in sich hinein revoltiere­nden Teenager stecken. Die graue Landschaft Nordnorweg­ens ist eine allzu offensicht­liche Visualisie­rung der zwischenme­nschlichen Verödung und die gezielte Enttäuschu­ng familiärer Happy-EndSehnsüc­hte verpufft, weil sich keine emotionale Nähe zu den Figuren herstellt. (Deutschlan­d/Norwegen 2017, 86 Min., Filmhaus Sb; Regie und Buch: Thomas Arslan; Kamera: Reinhold Vorschneid­er)

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