„Finger weg von schwarzer Kosmetik“
Peelings, Masken, Zahnpasta: Pflege produkte mit Aktiv kohle liegen im Trend, doch Experten raten zur Vorsicht.
„Die Wirkung in kosmetischen Produkten ist nicht wissenschaftlich belegt.“Dr. Uwe Kirschner Dermatologe
Schwarz ist das neue Weiß – das behauptet zumindest die Kosmetikindustrie. Immer mehr Pflegeprodukte mit Aktivkohle kommen auf den Markt. Das Werbeversprechen: Schon die alten Ägypter setzten das schwarze Pulver als Hausmittel zur Desinfektion von Wunden ein. Aktivkohle habe eine schwammähnliche Struktur und könne deshalb andere Stoffe binden. So weit, so gut, bestätigt der Mainzer Hautarzt Dr. Uwe Kirschner: „Die meisten von uns kennen Aktivkohle aus Luft- und Wasserfiltern oder zur Einnahme bei Magen-Darm-Erkrankungen. Die natürliche poröse, feinkörnige Kohle mit sehr großer Oberfläche bindet Bakterien, Chemikalien, Geruchsstoffe und Gifte. Im Magen-DarmTrakt sorgt die Aktivkohle dafür, dass die gebundenen Stoffe dann aus dem Körper ausgeschieden werden können. Die Hypothese ist, dass die Aktivkohle auf der Haut einen ähnlichen Effekt hat und die Haut so von Verunreinigungen befreit.“
Überschüssiger Talg oder Schmutz kann somit gut aufgenommen werden, so die Theorie. Ein Selbstversuch mit einer „Detox Tonerde-Aktivkohle“-Gesichtsmaske zeigt: Kohlekosmetik ist zunächst vor allem optisch eine Herausforderung. Beim Auftragen der dunkelgrauen, stark parfümierten Masse auf die Haut färben sich Hände und Waschbecken gleich mit. Nase und Mundpartie müssen ausgespart werden. Der Kontrollblick in den Spiegel zeigt ein Rußgesicht wie bei einem Bergarbeiter. Die Maske muss jetzt zehn bis fünfzehn Minuten einziehen.
Das Problem mit der Aktivkohle: „Ihre Wirkung in kosmetischen Produkten ist nicht wissenschaftlich belegt“, schränkt Haut-Experte Uwe Kirschner ein. So reagiere Aktivkohle zum Beispiel so stark mit anderen Substanzen, dass sie andere Inhaltsstoffe der Kosmetika absorbieren und dabei an Wirkung verlieren dürfte. Noch kritischer bewertete das Verbrauchermagazin Ökotest 2016 die schwarzen Beauty-Helfer: Bei 15 getesteten Produkten fielen sechs mit „ungenügend“durch. In mehr als der Hälfte der Produkte fanden die Tester sogar aromatische Kohlenwasserstoffe, die als potenziell krebserregend gelten.
Uwe Kirschner kennt das Testergebnis und rät zur Vorsicht: „Ein Problem ist, dass viele der Produkte gar keine hochwertige medizinische Aktivkohle enthalten. Vor allem bei Kosmetika, die im Internet vertrieben werden, muss man davon ausgehen, dass stattdessen billiger Industrieruß beigemischt wurde, um die Produkte schwarz zu färben. Die Schadstoff-bindende Wirkung von Aktivkohle hat Ruß jedoch ganz und gar nicht.“Hinzu käme, dass der Verbraucher nicht nachvollziehen könne, wie dieser Ruß erzeugt wurde. Die Produkte könnten daher auch giftige und krebserregende Stoffe enthalten. Kirschner: „Da gerade Gesichtsmasken sehr lange auf der Haut verbleiben, ist das Risiko hoch, dass diese gefährlichen Stoffe in den Körper gelangen. Das liegt auch daran, dass außerdem oft Stoffe enthalten sind, die unsere Haut durchlässiger für Fremdstoffe machen und so den natürlichen Schutzmantel der Haut schädigen. Diese Stoffe wurden übrigens auch bei Markenprodukten nachgewiesen. Deshalb mein Tipp: Finger weg.“
Bei der Detox-Maske aus dem Selbstversuch ist nicht nachvollziehbar, woher die Inhaltsstoffe stammen. Chemisch klingen sie auf der Verpackung alle. Nach 15 Minuten ist die schwarze Maske wie vorgesehen getrocknet. Mit warmem Wasser und einem Handtuch lässt sie sich problemlos abnehmen. Das Gefühl auf der Haut: etwas weicher, aber Pickelchen sind noch da. Zurück bleibt vor allem ein penetranter Parfümduft. Ob die Maske aus dem mittleren Preissegment nun besser oder schlechter war als eine herkömmliche, helle Gesichtsmaske ohne Kohle, lässt sich nach einer Anwendung nicht bewerten.
Ungeachtet der schlechten Testergebnisse ist der Trend zur schwarzen Kosmetik ungebrochen: Auch Discounter bieten inzwischen Tuchmasken und Nasenstrips an. Auch für Männer sind ganze Pflegeserien auf dem Markt. Ein guter Trick, behaupten Konsumpsychologen. Schwarz sei eben männlich, auch das Wort „aktiv“sei männlich besetzt und Kohle verbinde man mit Bergbau, erklärte Marketing-Experte Björn Held in einem Interview mit dem SWR. Oftmals verwandelt sich die schwarze Gesichtspflege oder auch Zahnpasta allerdings nach dem Auftragen in einen weißen Schaum.
Uwe Kirschner: „Wenn es sich tatsächlich um hochwertige medizinische Aktivkohle handelt, sehe ich erst einmal keinen negativen medizinischen Effekt – aber eben auch keinen nachgewiesenen positiven Effekt.“Er rät, eher auf Aktivkohle-Kosmetika zu verzichten und stattdessen auf normale, regelmäßige und leichte Peelings, Pflegemasken und feuchtigkeitsspendende Gesichtscremes zu setzen. „Wer seinem Gesicht etwas Gutes tun möchte, sollte sich regelmäßig von einer kompetenten Kosmetikerin ausreinigen lassen und danach mit einem feuchtigkeitsspendenden Pflegeprodukt nachbehandeln.“