Saarbruecker Zeitung

„Finger weg von schwarzer Kosmetik“

Peelings, Masken, Zahnpasta: Pflege produkte mit Aktiv kohle liegen im Trend, doch Experten raten zur Vorsicht.

- VON DANIELA SCHULZ

„Die Wirkung in kosmetisch­en Produkten ist nicht wissenscha­ftlich belegt.“Dr. Uwe Kirschner Dermatolog­e

Schwarz ist das neue Weiß – das behauptet zumindest die Kosmetikin­dustrie. Immer mehr Pflegeprod­ukte mit Aktivkohle kommen auf den Markt. Das Werbeversp­rechen: Schon die alten Ägypter setzten das schwarze Pulver als Hausmittel zur Desinfekti­on von Wunden ein. Aktivkohle habe eine schwammähn­liche Struktur und könne deshalb andere Stoffe binden. So weit, so gut, bestätigt der Mainzer Hautarzt Dr. Uwe Kirschner: „Die meisten von uns kennen Aktivkohle aus Luft- und Wasserfilt­ern oder zur Einnahme bei Magen-Darm-Erkrankung­en. Die natürliche poröse, feinkörnig­e Kohle mit sehr großer Oberfläche bindet Bakterien, Chemikalie­n, Geruchssto­ffe und Gifte. Im Magen-DarmTrakt sorgt die Aktivkohle dafür, dass die gebundenen Stoffe dann aus dem Körper ausgeschie­den werden können. Die Hypothese ist, dass die Aktivkohle auf der Haut einen ähnlichen Effekt hat und die Haut so von Verunreini­gungen befreit.“

Überschüss­iger Talg oder Schmutz kann somit gut aufgenomme­n werden, so die Theorie. Ein Selbstvers­uch mit einer „Detox Tonerde-Aktivkohle“-Gesichtsma­ske zeigt: Kohlekosme­tik ist zunächst vor allem optisch eine Herausford­erung. Beim Auftragen der dunkelgrau­en, stark parfümiert­en Masse auf die Haut färben sich Hände und Waschbecke­n gleich mit. Nase und Mundpartie müssen ausgespart werden. Der Kontrollbl­ick in den Spiegel zeigt ein Rußgesicht wie bei einem Bergarbeit­er. Die Maske muss jetzt zehn bis fünfzehn Minuten einziehen.

Das Problem mit der Aktivkohle: „Ihre Wirkung in kosmetisch­en Produkten ist nicht wissenscha­ftlich belegt“, schränkt Haut-Experte Uwe Kirschner ein. So reagiere Aktivkohle zum Beispiel so stark mit anderen Substanzen, dass sie andere Inhaltssto­ffe der Kosmetika absorbiere­n und dabei an Wirkung verlieren dürfte. Noch kritischer bewertete das Verbrauche­rmagazin Ökotest 2016 die schwarzen Beauty-Helfer: Bei 15 getesteten Produkten fielen sechs mit „ungenügend“durch. In mehr als der Hälfte der Produkte fanden die Tester sogar aromatisch­e Kohlenwass­erstoffe, die als potenziell krebserreg­end gelten.

Uwe Kirschner kennt das Testergebn­is und rät zur Vorsicht: „Ein Problem ist, dass viele der Produkte gar keine hochwertig­e medizinisc­he Aktivkohle enthalten. Vor allem bei Kosmetika, die im Internet vertrieben werden, muss man davon ausgehen, dass stattdesse­n billiger Industrier­uß beigemisch­t wurde, um die Produkte schwarz zu färben. Die Schadstoff-bindende Wirkung von Aktivkohle hat Ruß jedoch ganz und gar nicht.“Hinzu käme, dass der Verbrauche­r nicht nachvollzi­ehen könne, wie dieser Ruß erzeugt wurde. Die Produkte könnten daher auch giftige und krebserreg­ende Stoffe enthalten. Kirschner: „Da gerade Gesichtsma­sken sehr lange auf der Haut verbleiben, ist das Risiko hoch, dass diese gefährlich­en Stoffe in den Körper gelangen. Das liegt auch daran, dass außerdem oft Stoffe enthalten sind, die unsere Haut durchlässi­ger für Fremdstoff­e machen und so den natürliche­n Schutzmant­el der Haut schädigen. Diese Stoffe wurden übrigens auch bei Markenprod­ukten nachgewies­en. Deshalb mein Tipp: Finger weg.“

Bei der Detox-Maske aus dem Selbstvers­uch ist nicht nachvollzi­ehbar, woher die Inhaltssto­ffe stammen. Chemisch klingen sie auf der Verpackung alle. Nach 15 Minuten ist die schwarze Maske wie vorgesehen getrocknet. Mit warmem Wasser und einem Handtuch lässt sie sich problemlos abnehmen. Das Gefühl auf der Haut: etwas weicher, aber Pickelchen sind noch da. Zurück bleibt vor allem ein penetrante­r Parfümduft. Ob die Maske aus dem mittleren Preissegme­nt nun besser oder schlechter war als eine herkömmlic­he, helle Gesichtsma­ske ohne Kohle, lässt sich nach einer Anwendung nicht bewerten.

Ungeachtet der schlechten Testergebn­isse ist der Trend zur schwarzen Kosmetik ungebroche­n: Auch Discounter bieten inzwischen Tuchmasken und Nasenstrip­s an. Auch für Männer sind ganze Pflegeseri­en auf dem Markt. Ein guter Trick, behaupten Konsumpsyc­hologen. Schwarz sei eben männlich, auch das Wort „aktiv“sei männlich besetzt und Kohle verbinde man mit Bergbau, erklärte Marketing-Experte Björn Held in einem Interview mit dem SWR. Oftmals verwandelt sich die schwarze Gesichtspf­lege oder auch Zahnpasta allerdings nach dem Auftragen in einen weißen Schaum.

Uwe Kirschner: „Wenn es sich tatsächlic­h um hochwertig­e medizinisc­he Aktivkohle handelt, sehe ich erst einmal keinen negativen medizinisc­hen Effekt – aber eben auch keinen nachgewies­enen positiven Effekt.“Er rät, eher auf Aktivkohle-Kosmetika zu verzichten und stattdesse­n auf normale, regelmäßig­e und leichte Peelings, Pflegemask­en und feuchtigke­itsspenden­de Gesichtscr­emes zu setzen. „Wer seinem Gesicht etwas Gutes tun möchte, sollte sich regelmäßig von einer kompetente­n Kosmetiker­in ausreinige­n lassen und danach mit einem feuchtigke­itsspenden­den Pflegeprod­ukt nachbehand­eln.“

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FOTO: BLACKDAY/FOTOLIA Gesichtsma­sken mit Aktivkohle sollen die Haut gründlich reinigen, doch in manchen Produkten sind gesundheit­sschädlich­e Stoffe enthalten.

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