Der Kopf ist klar, die Form ist gut
Hindernis-Europameisterin Gesa Krause will sich heute im WM-Finale „so weit wie möglich nach vorne“kämpfen.
LONDON (sid) Gesa Felicitas Krause wirkte, als hätte sie das Allerschlimmste gerade hinter sich gebracht. Der vor Kälte bibbernde Hindernis-Floh wusste es aber besser. „Ich glaube, das Finale wird jetzt das schwerste Rennen meines Lebens“, sagte die 25-Jährige. Heute (22.25 Uhr/ARD und Eurosport) muss es Krause bei der WM in London mit Afrikas Übermacht aufnehmen. Wie vor zwei Jahren in Peking, als sie sensationell Bronze holte.
Wie schwer die Wiederholung dieses Coups über 3000 Meter Hindernis werden wird, ist der Europameisterin durchaus bewusst. „So eine große Breite an guten Läuferinnen gab es noch nie“, sagte Krause: „Die Taktik lautet, sich so weit wie möglich nach vorne zu kämpfen.“Dass ihr die ganz großen Aufgaben liegen, zeigte sie schon im knüppelharten Vorlauf. Im selbst für einen handelsüblichen Londoner Sommertag eisigen Dauerregen agierte Krause kalt wie eine Hundeschnauze. Weil der Lauf eher langsam war, musste sie unbedingt mindestens Dritte werden – und gewann dann ganz abgezockt vor Kenias Titelverteidigerin Hyvin Chepkemoi. „Im Rennen wurde mir bewusst: Wenn ich hier Vierte werde, dann ist es das schon gewesen“, sagte Krause: „Deshalb musste ich einen kühlen Kopf bewahren.“Das klappte vorzüglich.
Krauses taktische und analytische Stärke sowie eine herausragende Hürden-Technik sind ihre großen Trümpfe im Vergleich mit den Branchenführerinnen aus Afrika, die sich in voller Prominenz für das Finale qualifizierten. Weltmeisterin Chepkemoi, ihre Landsfrau Celliphine Chespol als Jahresweltbeste, die in Kenia geborene und von Bahrain verpflichtete Olympiasiegerin Ruth Jebet – sie sind Krause läuferisch überlegen.
Im Wettkampf agieren die Afrikanerinnen aber gewissermaßen mit dem Holzhammer, während Krause das Florett bevorzugt. Die qualvolle Londoner Vorausscheidung brachte ihr wertvolle Erkenntnisse: Der Kopf ist klar, die Form ist gut, und die leidige Sache mit den leidigen Novovirus-Fällen im deutschen Team hat nicht den befürchtet großen negativen Einfluss. „Ich bin gestern erst aus Davos angereist, deswegen bin ich direkt in ein anderes Hotel gekommen“, sagte Krause.
Das Wichtigste ist im neuen Londoner Domizil aber vorhanden: eine heiße Dusche. Krauses wichtigster Wunsch für den Griff nach einer Medaille wird sich aber wohl nicht ganz erfüllen. „Ich liebe die Wärme“, sagte sie: „Im Finale sieht es hoffentlich anders aus als im Vorlauf.“Die Prognose für heute Abend passt aber leider überhaupt nicht: 15 Grad Celsius, Regenwahrscheinlichkeit bei 90 Prozent.