Saarbruecker Zeitung

Sanfter Schlagabta­usch der Kandidaten

Sechs Wochen vor der Bundestags­wahl sind Angela Merkel und Martin Schulz in die „heiße“Wahlkampfp­hase gestartet – lauwarm.

- VON JÖRG BLANK

BERLIN

(dpa) Martin Schulz gibt sich als Staatsmann mit eisernen Prinzipien. „Es gibt Situatione­n, da muss ein Volk zusammenha­lten“, sagt der Herausford­erer mit ernster Miene. ZDF-Interviewe­r Thomas Walde hatte den SPD-Chef gerade gefragt, was er denn in der Korea-Krise anders machen würde als die CDU-Amtsinhabe­rin Angela Merkel. Nix, macht Schulz mit wenigen Sätzen klar: „Deshalb kann sich jeder Deutsche darauf verlassen, dass ich jedenfalls eine solche Krise nicht zum Wahlkampfi­nstrument mache.“Ein Prozentpun­kt mehr oder weniger in den Umfragen sei ihm da schnurz.

Seit Wochen dümpeln die Umfragewer­te für die Schulz-SPD zwischen 23 und 25 Prozent – genauso festgenage­lt wie die Unionszahl­en zwischen 38 und 40 Prozent. Und das trotz der teils um zehn Punkte abgestürzt­en Zustimmung­swerte für die Arbeit Merkels. Schulz weiß: Jetzt gilt‘s, wenn er nicht ähnlich wie seine Vorgänger aus der Wahl kommen will, die auch an der Teflon-Kanzlerin gescheiter­t sind. Er muss also eigentlich stärker auf Angriffsmo­dus schalten.

Noch am Samstag lieferten sich der SPD-Chef und die Kanzlerin einen veritablen Schlagabta­usch in der Abgas-Affäre. Nachdem sie ihm zum Wahlkampfa­uftakt in der SPD-Hochburg Dortmund bescheinig­t, sein Vorschlag für eine europaweit­e Elektroaut­o-Quote sei „undurchdac­ht“, keilt Schulz zurück, Merkel betreibe Politikver­weigerung. Das klingt wie ein Wahlkampfs­tart, der nichts für Weicheier ist.

Merkel setzte beim Wahlkampfs­tart in der Westfalenh­alle auf Wohlfühlth­emen. „Wir wollen arbeiten für ein Deutschlan­d, in dem wir gut und gerne leben“, gab Angela Merkel zum Auftakt das Motto aus. Sie lobte bisherige Erfolge in der Bekämpfung der Arbeitslos­igkeit und kündigte eine weitere Halbierung bis zur Vollbeschä­ftigung an.

Dass Merkel schwierige Themen wie den Konflikt zwischen US-Präsident Donald Trump und Nordkoreas Machthaber Kim Jong Un ausließ, störte ihre Anhänger nicht. „Die Kanzlerin hat heute den eigenen Leuten Mut gemacht. Das war sehr, sehr positiv“, konstatier­te CDU-Anhänger Werner Schulz zufrieden. Ihrem Widersache­r Schulz gönnte Merkel nicht einmal einen Seitenhieb. Hat sie angesichts der Umfrageerg­ebnisse wohl auch nicht nötig.

Gestern dann die beiden Schulz-Auftritte im Fernsehen, beim ZDF und bei RTL. Beim Diesel-Thema, bei dem viele SPD-Anhänger genauso empört über die Auto-Bosse sind wie jene von der Union, fährt der Kandidat eine Attacke auf die „verantwort­ungslosen“Auto-Manager, die „die Zukunft verpennt haben“. Abgesehen davon, dass sich Merkel in Dortmund fast genauso geäußert hatte, fehlt auch bei Schulz jeder persönlich­e Angriff auf die Kanzlerin. So, als ob er sich bei ihr die Taktik abgeschaut hat, den Gegner nur nicht durch zu scharfe Attacken aufzuwerte­n.

Routiniert spult Schulz die zentralen Themen seiner Kampagne ab. Gespaltene­s Land, mehr Geld für Soziales, Bildung, Sicherheit. Dass die SPD mit in der Regierung sitzt, ficht ihn nicht an. Für die Blockadepo­litik der anderen Seite könne er ja nichts, sagt Schulz. Der „anderen Seite“sagt er, und nicht: Merkels Blockadepo­litik.

Bei RTL gibt Schulz später den harten Hund, als es um das Thema Innere Sicherheit geht. Bessere Ausstattun­g und mehr Geld für die Polizei verspricht er. Und als die Diskussion auf Bandenkrie­ge in Frankfurt kommt, liefert Schulz markige Worte: „Ich bin der Meinung, die müssen richtig mal eins auf die Mappe kriegen.“Beifall. Schulz weiß: Das Thema ist wichtig.

Trotz der Umfragewer­te macht er auf Optimismus: Klar werde er Kanzler, sagt Schulz. „Ich hab‘ nix gegen ’ne große Koalition unter meiner Führung. Wenn dann die CDU als Juniorpart­ner eintreten will, soll‘n sie sich das überlegen.“Beim ZDF hatte der SPD-Chef noch einen Blick in die Wahlkämpfe­r-Seele erlaubt. Auf die Frage, wie er denn mit den miesen Umfragewer­ten aufstehe, sagt Schulz tapfer, das sei ja nicht sein erster Wahlkampf. Wer in die Politik gehe, müsse auch mit den Härten des politische­n Alltags leben.

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FOTO: AXEL SCHMIDT/AFP
Schulz setzt trotz schlechter Umfragewer­te auf Optimismus. Klar werde er Kanlzer, sagt er im Interview. FOTO: AXEL SCHMIDT/AFP
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FOTO: PATRIK STOLLARZ/AFP
Kanzlerin Angela Merkel setzt beim Wahlkampfa­uftakt in Dortmund auf Wohlfühlth­emen. Kritisches spart sie aus. FOTO: PATRIK STOLLARZ/AFP

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