Martin zeigt erstmals richtige Nehmerqualitäten
Der Obersalbacher gewinnt auch seinen zehnten Profikampf, geht aber erstmals in seiner Karriere auf die Bretter.
Samstagabend, 22.47 Uhr. Die Fans toben. Sie wollen Lokalmatador Mirco Martin zum Sieg brüllen. Dann, nach einer Minute und 17 Sekunden in Runde zwei: Die Zuschauer stoßen synchron ein lautes „Aaaaahhh“aus. In der Fischbachhalle in Fischbach ist es für Sekunden plötzlich mucksmäuschenstill. Die zwei, drei Sekunden fühlen sich wie Minuten an. Martin liegt auf dem Boden, wird angezählt. Die Gerade von Junioren-Weltmeister Robert Onggocan hat ihn am Kopf erwischt. Ohne Deckung. Der folgende Aufwärtshaken des Weltranglisten-28. schickt ihn auf die Bretter. In den Augen von Martin ist zu sehen: Der Schlag hat Wirkung gezeigt.
Aus der Traum vom Sieg und dem Sprung unter die Top 20 der Welt? Der Fliegengewichtler aus Obersalbach schüttelt sich, richtet sich auf – und zeigt sein Kämpferherz. Nach zehn engen Runden verkündet der Ringrichter das Urteil: „Einstimmiger Punktsieg für den Kämpfer aus der bl…“– mehr ist nicht mehr zu hören. Die 450 Fans flippen aus – die blaue Ecke ist Mirco Martins Ecke. Es ist sein zehnter Sieg im zehnten Profikampf.
„Ein knapper Kampf, der in alle Richtungen ausgehen kann“, erklärt Trainer Dominik Junge: „Viele Schläge sind auf die Deckung von Mirco gegangen. Das sind dann halt keine Punkte.“Dennoch: Martin hat einiges einsteigen müssen. „Wir sind drei Mal mit den Köpfen aneinander gerasselt“, erklärt der 25-Jährige, der in der Weltrangliste 16 Plätze hinter dem Junioren-Weltmeister lag. Zum ersten Niederschlag seiner Karriere sagt er: „Er hat mich mit seiner Schlaghand erwischt. Das hat mich durchgeschüttelt, mein Kiefer tut weh.“Und er gesteht: „Ich musste noch nie in meiner Karriere solch harte Schläge einstecken.“
Doch Martin zeigte Nehmerqualitäten. Und änderte die Taktik: „Ich habe die Deckung zugemacht, war zu locker, zu offen. Er konnte deshalb seine Schläge durchziehen.“
Der Saarländer kam seinerseits kaum mit Schlägen zum Kopf des Philippinen durch. Doch er setzte viele Körpertreffer. Und er drückte den Gegner immer wieder in die Ringecken. Er legte sich dann auf den Oberkörper des Philippinen, wenn der zu klammern versuchte. Das kostete Onggocan Kraft. So gingen die letzten Runden an Martin. „Ich wäre mit einem Remis zufrieden gewesen. Die ersten Runden gingen an ihn, die letzten an mich“, sagt er: „Ich würde gerne wieder gegen ihn boxen, um zu 100 Prozent klarzustellen, dass ich besser bin.“
Martin hat bewiesen, dass er in der Weltrangliste weit nach oben kommen kann. Doch wie weit kann ein Feierabend-Boxer ohne professionelles Management, der Vollzeit als Stuckateur arbeitet und für das Training täglich nach der Arbeit zwischen Obersalbach und Karlsruhe pendelt, kommen? Trainer Junge sagt: „Vor einem Kampf fehlen ihm zwei Monate Krafttraining.“Dabei müsse Martin eigentlich mehr Schlagkraft in den Ring bringen, „um sich Respekt zu verschaffen“. Damit ein Weltklasse-Gegner wie Onggocan schon ab Runde eins wisse, was Martin in den Fäusten hat.