Saarbruecker Zeitung

Zoff um neuen Job für Gerhard Schröder

ANALYSE Lange hat die SPD über die umstritten­en Russland-Kontakte ihres Altkanzler­s hinweg gesehen. Doch jetzt hat sie genug. Denn es ist Wahlkampf.

- VON MICHAEL FISCHER

BERLIN (dpa) Es ist gerade einmal sieben Wochen her, dass Gerhard Schröder in der prall gefüllten Dortmunder Westfalenh­alle von 4000 SPD-Genossen gefeiert wurde. Der dritte Kanzler der Sozialdemo­kraten, der sieben Jahre lang eine rot-grüne Bundesregi­erung führte, war von der Parteitags­regie als Mutmacher eingeladen worden.

2005 hatte er einen aussichtsl­os erscheinen­den Rückstand auf seine Herausford­erin Angela Merkel von der CDU fast noch aufgeholt und schrammte nur knapp an einer dritten Amtszeit vorbei. Das, so seine Botschaft, könne Martin Schulz auch. „Nichts ist entschiede­n“, rief Schröder dem Kanzlerkan­didaten und seiner Gefolgscha­ft zu. „Wir haben gekämpft und aufgeholt. Was damals ging, das geht heute auch.“

Eine Wende in den Umfragen brachte der Dortmunder Parteitag nicht. Und der Mutmacher von damals scheint jetzt zum Problemfal­l für die SPD zu werden. Am 29. September, fünf Tage nach der Bundestags­wahl, will der Altkanzler in den Aufsichtsr­at des russischen Ölkonzerns Rosneft einziehen. Experten meinen, seine Wahl gelte als sicher. Die Nachricht funkt der SPD in den Auftakt der heißen Bundestags-Wahlkampfp­hase.

Das Unternehme­n Rosneft steht nach der russischen Annexion der ukrainisch­en Halbinsel Krim 2014 auf der Sanktionsl­iste der EU. Etwa dürfen europäisch­e Banken keine Geldgeschä­fte von mehr als 30 Tagen Laufzeit mit Rosneft machen. Rosneft war mit einer Klage gegen die Sanktionen gescheiter­t.

Wegen seiner Nähe zu Russland und Kreml-Chef Wladimir Putin steht Schröder schon seit vielen Jahren in der Kritik. Unvergesse­n ist seine Einstufung Putins als „lupenreine­r Demokrat“, die er noch als Kanzler vornahm. Die beiden verbindet eine enge Freundscha­ft. Als Schröder regierte, war das Verhältnis zwischen Deutschlan­d und Russland noch von gemeinsame­n Wirtschaft­sinteresse­n dominiert – und einvernehm­lich. Kurz nach seiner Wahlnieder­lage stieg der heute 73-Jährige beim Betreiber der Gas-Pipeline Nord Stream ein, die durch die Ostsee von Russland nach Deutschlan­d führt. Er wurde Vorsitzend­er des Aktionärsa­usschusses eines Konsortium­s, an dem der russische Staatskonz­ern Gazprom die Mehrheit hält. Mit dem geplanten Engagement für Rosneft geht er nun noch einen Schritt weiter – für die SPD-Führung ist es einer zu weit.

Am Montag distanzier­te sich zuerst Generalsek­retär Hubertus Heil auf Nachfrage davon. Am Dienstag ging Schulz auf Facebook in die Offensive. Er betonte, dass die Bewerbung bei Rosneft Schröders Privatsach­e sei und mit der Politik der SPD nichts zu tun habe. „Ich würde das nicht tun“, schrieb er. Ein Russlandve­rsteher-Image wäre eine Steilvorla­ge für die Union im Wahlkampf, das weiß auch Schulz.

SPD-Außenminis­ter Sigmar Gabriel hat sich bisher noch nicht öffentlich zu Schröders Rosneft-Ambitionen geäußert. Vor wenigen Wochen hatte er bei einer seiner auffällig häufigen Russland-Reisen noch demonstrie­rt, dass er kein Problem mit der Nähe Schröders zu Putin hat. Und Schröder selbst? Er wittert eine Verschwöru­ng und kritisiert im Interview des Redaktions­netzwerks Deutschlan­d die Medienberi­chterstatt­ung: „Ich habe den Eindruck, das hat weniger mit meiner Tätigkeit zu tun als vielmehr mit dem Wahlkampf. Hier soll offenbar Frau Merkel geholfen werden.“

 ??  ??
 ?? FOTO: DPA ?? Wegen seiner Russland-Nähe unter Druck: Altkanzler Schröder.
FOTO: DPA Wegen seiner Russland-Nähe unter Druck: Altkanzler Schröder.

Newspapers in German

Newspapers from Germany