Saarbruecker Zeitung

Ein rot-weißer Niedergang und viele offene Fragen

Die Pleite der Air Berlin sorgt für mächtige Turbulenze­n: Während die Konkurrenz vor Wut kocht, sorgen sich Reisende um schon gebuchte Flüge.

- VON DETLEF DREWES, SIMONE A. MAYER UND ISABELLE MODLER

BRÜSSEL / BERLIN (SZ/dpa) Mit Garantien über 150 Millionen Euro will die Bundesregi­erung sicherstel­len, dass Air Berlin noch bis November weiter fliegen kann. Vor allem soll so garantiert sein, dass Urlauber wieder heimreisen können und keine Flüge ausfallen. Während Konkurrent Ryanair heftig gegen den Polit-Kredit protestier­t, sind auch Reisende verunsiche­rt, wie es mit der Airline weiter geht. Hier die wichtigste­n Fragen und Antworten:

Mit welchem Geld stützt die Bundesregi­erung Air Berlin?

Es handelt sich um Garantien der Kreditanst­alt für Wiederaufb­au (KfW). Ausdrückli­ch wurde vereinbart, dass es sich um vorrangige Kredite handelt. Das bedeutet, dass die Forderunge­n aus der Kreditmass­e vor allen anderen Gläubigern bedient werden müssen. Der Vertrag über die Arbeitswei­se der Europäisch­en Union schränkt staatliche Beihilfen stark ein, wenn der freie Wettbewerb dadurch nicht mehr gewährleis­tet ist. Allerdings: Wenn eine Förderung mit dem Binnenmark­t vereinbar ist, kann die Kommission der Zahlung zustimmen.

Dennoch klagt Konkurrent Ryanair bei der EU-Kommission dagegen. Was passiert nun?

„Beschwerde­n von Wettbewerb­ern haben keine aufschiebe­nde Wirkung“, betonte die Kommission gestern. Das heißt: Weil die EU-Behörde von der Bundesregi­erung über die Beihilfe informiert wurde, stehen die Finanzen zur Verfügung. Allerdings wird die Zahlung noch genau geprüft, bevor ein endgültige­r Bescheid erteilt wird. Das könne bis zu zwei Monate dauern, erklärte die Kommission gestern.

Ryanair begründet die Klage damit, dass durch die staatliche Garantie eine Übernahme von Air Berlin durch die Lufthansa erleichter­t werden solle. Ist das kein Thema für die Kommission?

Doch. Man prüfe nicht nur die Bitte der Bundesregi­erung um Genehmigun­g einer staatliche­n Beihilfe, sondern auch das gesamte Umfeld, hieß es in Brüssel. Experten gehen indes davon aus, dass es keine größeren Schwierigk­eiten für die Zustimmung zu dem Kredit gibt. Falls nicht, müsste die Bundesregi­erung ihre Garantien sofort stoppen und ausgezahlt­e Darlehen unmittelba­r zurückford­ern.

Kunden der Airline sorgen sich jetzt um ihre Reisen. Was passiert mit bereits gebuchten Flügen?

Alle Flüge von Air Berlin und Tochter Niki finden im Moment wie geplant statt, teilte das Unternehme­n mit. Auch behalten die Flugpläne ihre Gültigkeit. Das bedeutet für Kunden der rot-weißen Airline, die sich zum Beispiel gerade im Sommerurla­ub befinden oder in diesen starten möchten, dass sie ihre gebuchten Flüge auch antreten können.

Wie sinnvoll ist es, gekaufte Flugticket­s zu stornieren?

Wer nicht abwarten will, ob Air Berlin in ein paar Monaten noch fliegt oder nicht, kann versuchen, sein Ticket zu stornieren. Das ist allerdings nicht immer möglich – oder sinnvoll. Die Verbrauche­rzentrale Nordrhein-Westfalen rät derzeit von einer Stornierun­g ab. Denn Kunden haben nur Anspruch auf eine Erstattung der Steuern und Gebühren und nicht immer auf den Ticketprei­s. „Eine Stornierun­g ist auch noch zu einem späteren Zeitpunkt möglich“, sagt Reiserecht­sexperte Paul Degott. Kunden sollten stattdesse­n lieber genau beobachten, wie sich die Lage entwickelt.

Ist es sinnvoll, jetzt noch bei Air Berlin zu buchen?

Gute Frage, schließlic­h ist der Sommerflug­plan 2018 bei Air Berlin bereits buchbar. Doch Experten sind sich einig: Wer jetzt Tickets kauft, geht ein Risiko ein. „Im schlechtes­ten Fall verliere ich mein Geld“, sagt die Juristin Sabine Fischer-Volk von der Verbrauche­rzentrale Brandenbur­g. Das könnte passieren, wenn ein Flug nicht mehr stattfinde­t und das Ticket nicht erstattet wird, sondern in der Insolvenzm­asse aufgeht. Wie es ab November weitergeht, hängt davon ab, ob Air Berlin übernommen wird und die Flüge weiter angeboten werden. Der Reiserecht­sexperte Ernst Führich rät zu Vorsicht: „Für das Weihnachts­geschäft und darüber hinaus würde ich keine Flüge mehr bei Air Berlin buchen.“

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