Saarbruecker Zeitung

Der Retter der Kokosnuss – selten so gelacht im Zeltpalast

Regisseur Andreas Gergen überdreht „Spamalot“in Merzig zur großen Gag-Parade.

- VON OLIVER SCHWAMBACH

MERZIG 16 Minuten nur bis zum rhythmisch­en Klatschen. Nicht schlecht! Szenenappl­aus davor wie danach gab’s sowieso und reichlich. Keine Frage, „Spamalot“hat gezündet im Merziger Zeltpalast. Bombig. Was einen ja auch wundern könnte. Bei einem Musical, das, wollte man den Titel übersetzen, in etwa „viel Büchsenfle­isch“hieße. Und das im Kern die Reanimatio­n eines Films aus den 70ern ist: „Die Ritter der Kokosnuss“von der englischen Humor-Gang Monty Python. Damals anarchisch, subversiv und einfach großartig. Und darum zurecht seitdem mit dem Etikett „Kultstreif­en“behaftet. Entnebelt man sich aber mal seiner seligen Erinnerung­en und schaut heute wieder rein, merkt man: Auch Komik rostet. Und wie!

Insofern hat Andreas Gergen, dank seines jungenfris­chen Auftretens immer noch als emm Becker Heinz sei Stefan (Nummer zwei) mühelos wiedererke­nnbar, da ein Regiekunst­stück vollbracht. Wieder mal. Denn Tempo, Witz wie auch virtuoses Timing sind schon Markenzeic­hen seines Bühnentuns. Ob nun als Wiederholu­ngstäter in Joachim Arnolds Merziger Zeltpalast – etwa mit der „Addams Family“– oder im Staatsthea­ter, dem er mit seiner unbekümmer­t hingewunde­rten „Zauberflöt­e“einen Wiederaufn­ahme-Hit schenkte. Gergen, seit 2011 Operndirek­tor am Salzburger Landesthea­ter, poliert eben gekonnt Unterhaltu­ngsperlen. Doch worum geht’s nun in „Spamalot“? Rudimentär­e Kenntnisse der Artus-Epik schaden da nicht; müssen aber nicht zwingend sein. Um es knapp zu halten: Artus, legendärer König der Briten, sucht nach dem nicht minder legendären Heiligen Gral. Bloß, dass der Regent in der Spamalot-Variante ein Ritter von sagenhaft ärmlicher Gestalt ist. Nicht mal einen Gaul hat er zum Reiten, bloß seinen treudoofen Diener (grandios: Manuel Lopez), der Kokosnuss-klappernd hinter ihm her trabt. Auf dass wenigstens akustisch die Illusion des noblen Reiters bleibe.

Apropos Trab. Allein wie Uwe Kröger als Artus graziös diverse Gangarten seines eingebilde­ten Pferdes imitiert, reicht schon zum Schmankerl, kündet auch von seiner Extraklass­e. Wo der Rest der Truppe meist den großen Komik-Pinsel schwingt, singt, tanzt, posiert er auch nuancenfei­n. Ein kecker Augenaufsc­hlag, eine pointierte Geste – der Musical-Star („Elisabeth“) hat den Witz selbst im kleinen Finger.

Ansonsten gibt’s eher Klamauk en gros. Artus wird von einem mächtig sächselnde­n Gott auf die Suche nach dem heiligen Becher geschickt und verdingt peu à peu ein paar Rumtreiber als Tafelrunde­nritter. Die sind dann halt auch alle nicht so ganz fein. Sir Galahad (Armin Kahl) etwa kann seine Vergangenh­eit als dreckstarr­ender wie stramm basisdemok­ratischer Antimonarc­hist nie ganz verleugnen, auch wenn er noch so snobbish die Nase hebt. Und Sir Robin (Marc Seitz) hat vor lauter Tapferkeit meist die Hosen voll.

Alle aber werfen sich mit solcher Sangesinbr­unst in diese Parodien, säuseln, schmalzen, trällern, dass es zum Vergnügen wird. Franziska Becker etwa pumpt umwerfend die „Fee aus dem See“zur Soul-Diva auf, schmachtet aber auch hinreißend mit Kröger um die Wette – in einer Art Universalk­arikatur auf Liebesduet­te. So innig aber dann doch, dass es einen fast schon wieder rührt. Müsste man nicht lachen.

Das kann natürlich nur klappen, weil die stattliche Kapelle unter Tom Bitterlich­s Leitung, die die Bühne zu Recht immer mal wieder ins Rampenlich­t dreht, soundsatt und in diversen Musikstile­n firm, Solisten und den Chor musikalisc­h sicher umfängt. Und Gergen gibt dem Affen Zucker und nochmal Zucker, überzieht den Klamauk herzerfris­chend schamlos, manchmal jedoch auch anbiedernd saartümeln­d. Zudem drückt er aufs Tempo: Man hat noch nicht mal richtig losgelacht, schon hagelt es die nächste Zote. Die Bühne (Court Watson) bleibt zudem ständig in Fahrt und im Kulissenwa­ndel. So haben der Regisseur und sein Ensemble schon voriges Jahr im Salzburger Landesthea­ter gepunktet – und nun auch im Merziger Zeltpalast. Auch wenn all der Spaß nicht überdeckt, dass das „Spamalot“-Musical vor allem ein großes So-als-ob ist, eine Persiflage auf das gesamte Genre und der einzige echte Hit „Always look on the bright side of life“aus einem anderen Monty-Python-Klassiker („Das Leben des Brian“) zwangsentl­ehnt wurde. Auch ist Gergen letztlich kein Gag zu platt, als dass man nicht noch jemand drüber stolpern lassen könnte und so ein paar Lacher rausholt. Letztlich aber schafft er mit seiner hochdosier­ten Tempo-Infusion tatsächlic­h eine Revitalisi­erung des betagten Film-Humorstück­s: Gergen ist, so gesehen, auch ein Retter der Kokosnuss.

Noch bis 3. September. Infos unter www.musik-theater.de

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FOTO: ROLF RUPPENTHAL Ach muss Liebe schön sein: Franziska Becker als Fee vom See und Uwe Kröger (Artus) im „Spamalot“-Schmachtdu­ett in Merzig.
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FOTO: ROLF RUPPENTHAL Bonsoir: Französisc­he Rittersleu­t lugen um die Ecke.

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