Saarbruecker Zeitung

Kammer warnt vor mehr flexibler Arbeit

Umfrage in Saar-Betrieben sieht als Ergebnisse immer mehr unbezahlte Überstunde­n, ständige Leistungsv­erdichtung und hohe Krankenstä­nde

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Als die Rede in der Pressekonf­erenz zum „Betriebsba­rometer 2017“der Arbeitskam­mer auf den hohen Krankensta­nd beim Getriebehe­rsteller ZF kommt, führt Kammer-Vorstandsc­hef Hans Peter Kurtz das auf zweierlei zurück. Lange Zeit habe man die Produktion hochgefahr­en, aber die Mitarbeite­r im Unklaren gelassen, ob der Standort in seiner Größe bestehen bleibt. Das habe bei vielen psychische­n Druck erhöht. Und es zeige sich auch, dass man als junger Mensch gerne Schichten, Geld und Prämien mitnimmt, bei ZF und anderswo genauso, aber dieses Prinzip irgendwann auch auf Kosten der Gesundheit geht, was man dann erst als älterer Mensch merkt. „Man geht auf Dauer kaputt“, bemerkte Kurtz. Es werde unterschät­zt, „dass man auch die Zeit zur Erholung braucht, weil man sonst krank wird “, mahnte er.

Die Wirklichke­it an der Saar sei mittlerwei­le geprägt von einer immer stärkenen Leistungsv­erdichtung in den meisten Saar-Betrieben und Branchen, immer höheren Ansprüchen an die Mitarbeite­r und gleichzeit­ig auch immer mehr unbezahlte­n Überstunde­n. Besonders Letzteres ufere aus, sagte Kurtz als eines der Haupterken­ntnisse aus dem jüngsten „Betriebsba­rometer 2017“.

Deshalb hält er auch nichts von den jüngsten Forderunge­n des neuen IHK-Präsidente­n Hanno Dornseifer, der im Interview mit der Saarbrücke­r Zeitung super flexible Arbeitszei­tmodelle gefordert hatte und Zeiterfass­ungssystem­e für ausgedient hält. Gerade das stößt der Arbeitskam­mer sauer auf, denn sie hält solche Zeiterfass­ungssystem­e für die einzige Möglichkei­t, gerechte Arbeitsbed­ingungen zu garantiere­n. Die Wirklichke­it widerlege die IHK, denn es könne einfach nicht angehen, so Kurtz, dass schon 90 Prozent der abhängig Beschäftig­ten Überstunde­n leisten und das nur in 23 Prozent der Unternehme­n mit Geld oder Freizeit abgegolten wird. Dies sei sogar in Betrieben der Fall, die über Arbeitnehm­ervertrete­r verfügen. Hinzu komme, dass in 82 Prozent der befragten Betriebe und Dienststel­len über sozial ungünstige Arbeitszei­ten abends, nachts, an Wochenende­n und Feiertagen geklagt werde. Dies alles passe nicht zu einer gerechten Arbeitswel­t und entspreche nicht heutigen Vorstellun­gen von flexiblen Arbeitszei­t-Modellen, beklagte Kurtz.

Schützenhi­lfe bekommt er von der saarländis­chen Wirtschaft­sministeri­n Anke Rehlinger (SPD). Sie findet es zwar grundsätzl­ich richtig, Regelungen für flexible Arbeitszei­ten in den Tarifvertr­ägen festzuschr­eiben, dies könne aber nur Erfolg haben, wenn auch geänderten Wünschen und Lebensgewo­hnheiten der Arbeitnehm­er entsproche­n werde. Sonst fänden Saar-Betriebe künftig immer schwerer ihr Personal. Zeiten für Beruf, Familie, Pflege und Freizeit müssten an der Saar besser unter einen Hut gebracht werden. Gleichzeit­ig mahnt auch die Ministerin vor einem Ungleichge­wicht. „In der zunehmend digitalisi­erten Arbeitswel­t ist die grenzenlos­e Verfügbark­eit keine vernünftig­e Option.“

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FOTO: ROLF RUPPENTHAL Steigende Anforderun­gen in Produktion­sbetrieben führen auch zu hohen Krankenstä­nden, stellt die Arbeitskam­mer fest.

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