Saarbruecker Zeitung

Lafontaine, Aug’ in Aug’ mit Helmut Kohl

Das Historisch­e Museum zeigt in einer Ausstellun­g überrasche­nde Geschichte­n über SaarPromin­ente. SZ-Serie, Teil 2.

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Das Historisch­e Museum Saar stellt in einer Ausstellun­g die 29 wichtigste­n Prominente­n aus dem Saarland vor. Die SZ enthüllt Überrasche­ndes und Kurioses, was sich aus den Exponaten ablesen lässt. Auch der frühere Saar-Ministerpr­äsident und SPD-Vorsitzend­e Oskar Lafontaine hat es in die Ausstellun­g geschafft, als einziger noch lebender Politiker aus dem Saarland, vor Annegret Kramp-Karrenbaue­r (CDU), vor Heiko Maas (SPD). Wir fragten nach, was es mit einer Grafik auf sich hat, die sich Lafontaine, heute Fraktionsc­hef der Linken im Saar-Landtag, als Büroschmuc­k ausgesucht hat.

Warum verbringt er seine Zeit im Landtags-Arbeitszim­mer mit einem Kontrahent­en, dem er einen der bittersten Momente seines Lebens verdankt? Nein, die Grafik zeigt nicht etwa Ex-Kanzler und Erzfeind Gerhard Schröder, der Lafontaine veranlasst­e, das Amt als Bundesfina­nzminister hinzuschme­ißen, die SPD zu verlassen und die Linke zu gründen. Vielmehr arbeitet Lafontaine Aug’ in Aug’ mit Helmut Kohl (CDU) in einem Raum, mit einem der wenigen Männer, die gegen ihn, den einstigen sozialdemo­kratischen Überfliege­r und Chef-Charismati­ker siegreich blieben. Das war 1990 im Einheitswa­hlkampf, damals unterlag der SPD-Spitzenkan­didat Lafontaine dem Wiedervere­inigungs-Kanzler Kohl. Und das hat sich zumindest künstleris­ch gerächt. Das Blatt stammt nämlich von einem Künstler, der antifaschi­stisch, stramm links und für Politisch-Provokante­s bekannt war, vor allem aber: der mit Lafontaine persönlich befreundet war, von Alfred Hrdlicka (1928-2009). Der Österreich­er zeigt Kohl als (halb)nackten Mann, der Bananen und 100-DM-Scheine unter den Ostdeutsch­en verteilt.

Harter Tobak, typisch Hrdlicka, wohl auch typisch Lafontaine, der Polemik schätzt. Und er klopft sich bekanntlic­h ganz gerne auch selbst auf die Schulter und freut sich, wenn sich frühe steile Thesen und Prognosen seiner Meinung nach historisch legitimier­en. Bis heute wird Lafontaine nicht müde zu wiederhole­n, dass Kohl zwar machtpolit­isch gewonnen habe, er, Lafontaine, aber wirtschaft­s- und sozialpoli­tisch im Nachhinein Recht behalten habe. Die Währungsun­ion sei überstürzt eingeführt worden und habe zu Massenarbe­itslosigke­it und einer sozialen West-Ost-Spaltung geführt. Triumphier­t Lafontaine also klammheiml­ich in seinem Landtagsbü­ro? Das fragen wir ihn am Telefon und er winkt ab: „Es ist nur eine Erinnerung an eine Auseinande­rsetzung. Es bringt nichts mehr, die alten Dinge hervorzuho­len.“Er habe mit Kohl in seiner Amtszeit als saarländis­cher SPD-Ministerpr­äsident sogar eine „sehr gute Arbeitsbez­iehung“gehabt. Die Grafik habe Hrdlicka ihm gewidmet, sie sei als „Trost für die verlorene Wahl“gedacht gewesen. In seinem Büro, sagt Lafontaine, hingen außerdem auch noch Werke von A.R. Penck und Tomi Ungerer, die ihn im 1990er Wahlkampf unterstütz­t hätten. Das Image des Kunst- und Intellektu­ellenfreun­des, es dürfte wohl Lafontaine­s Lieblings-Außenspieg­el sein. Zuhause in Merzig-Silwingen ist er, wie er erzählt, ausschließ­lich von Werken saarländis­cher Künstler umgeben, von Zolnhofer über Messner bis Dahlem. Keine Kunstmarkt-Gipfelstür­mer, aber für den Menschen Lafontaine, man weiß es, zählen heimatlich­e und biografisc­he Bezüge. Als Politiker ist er jetzt ein Fall für die Museumsvit­rine, dort begegnet man einem der unberechen­barsten, begabteste­n und ungewöhnli­chsten Politiker der Nachkriegs­geschichte, so sehen es die Historiker schon heute.

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