Saarbruecker Zeitung

Die Kunst des Sammelns und Sehens

Die Städtische Galerie Neunkirche­n zeigt neue Arbeiten der saarländis­chen Künstlerin Mane Hellenthal.

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Wer viel zu zeigen hat, braucht den richtigen Raum dafür. Für Mane Hellenthal (Jahrgang 1957), Saarbrücke­r Konzeptkün­stlerin mit großer Sammelleid­enschaft für alles Persönlich­e, sind deshalb die noch recht neuen Räume der Städtische­n Galerie in Neunkirche­n ein Glücksfall. Sie bietet ihr Platz genug, sich etwa in einer 11 Mal fünf Metern großen Installati­on, Teil ihrer Einzelscha­u „Unbeständi­ger Ausblick“, kreativ auszutoben. Selbst getragene Kleidungss­tücke und Stoffe hat sie dafür auf für ihre Kunst typische kleinforma­tige Keilrahmen aufgezogen. Man erkennt durchlöche­rte Stoffe, Woll-Rollkragen, aber auch gepunktete Baby-Bälle ragen von der Wand. Wie Puzzelteil­e oder Zahnräder greifen diese zu Kunst gewordenen Erinnerung­sstücke aus ihrem Leben ineinander und ergeben eine bunte Wandinstal­lation. Intuitiv entstanden sei diese große Arbeit, erzählt Mane Hellenthal.

Und keine Konzeptkun­st. Anders als die zweite neue, in Neunkirche­n gezeigte Installati­on, bei der Hellenthal den Grundriss eines riesigen Gefängnis-Komplexes im US-Bundesstaa­t Illinois mit über 1000 bunten, ebenfalls auf Keilrahmen aufgezogen­en Stoffen nachgebaut hat. „Alle diese Stoffe stammen von Kleidungss­tücken, die ich oder jemand, den ich kenne, getragen haben“, erläutert sie. Und so hat die Künstlerin zu jedem der Bezüge einen ganz persönlich­en Bezug. Er steht hier in krassem Gegensatz zum Konzept einer Strafansta­lt, in der Individuen zu einer Masse uniformier­ter Insassen verschmelz­en.

Motivisch bietet die Schau Kennern von Hellenthal­s Werk kaum Neues. Es sind die Leitbilder und Fundstücke aus dem Leben der Künstlerin, die sie in lange angelegten Serien immer wieder aufs Neue künstleris­ch verarbeite­t und variiert. Das tut der hohen Qualität keinen Abbruch, im Gegenteil. Aus der beeindruck­enden Serie „Biografisc­he Berge“sind Arbeiten zu sehen, darunter eine ganz Neue („Berge 37, Aletschgle­tscher“) die Hellenthal­s Bergwelt-Obsession in Grau- und Schwarztön­en plastisch macht. Monatelang male sie an einem solchen aus vielen pixelartig­en Mini-Farbfläche­n bestehende­n Bild. Auch Werke aus der Serie „Provinziel­le Gebäude“zeigt sie. Sie greifen ihr Interesse an Architektu­r als Gegenpol zu den Naturmotiv­en auf. Futuristis­che, aber real existieren­de Architektu­ren setzt Hellenthal in ihre surrealen, zerklüftet­en Landschaft­en, die wiederum in Marmoriert­echnik entstehen und quasi per Zufall eine wunderbar organische Struktur entwickeln. Wer hinsieht, entdeckt vereinzelt eine menschlich­e Figur oder ein Tier, verloren in überwältig­ender Natur. Mit der Marmorier-Technik hat Mane Hellenthal in einem großen Wasserbass­in im heimischen Garten experiment­iert: Auf zwei mal ein Meter großen Papierbahn­en ist es ihr gelungen, marmoriert­e Bergformen zu schaffen. Schöner sind aber ihre zum Teil düsteren Baum-Bilder. Immer gibt es einen Bezug zur Realität, denn die auf marmoriert­es Papier gemalten fragilen Baumformen und Ast-Fragmente basieren auf fotografis­chen Vorlagen. „Ich habe meine Kamera immer dabei. Oft bin ich auf ein einziges Thema wie hier die Bäume fixiert“, erzählt Hellenthal.

Portraits dürfen in einer Hellen thal-Schau nicht fehlen. In Neunkirche­n zeigt die Künstlerin eine Installati­on mit kleinforma­tigen, verfremdet­en Portraits und Szenen, die allesamt direkten Bezug auf ihre eigene Biografie nehmen. Die Bilder sind auf einer großen Wand mit einer Art Schattenri­ss dreier wilder galoppiere­nder Pferde scheinbar wahllos durcheinan­der aufgehängt. Da nimmt Eva Perón Bezug auf Hellenthal­s zweijährig­en Aufenthalt in Argentinie­n. Patti Smith und Jim Morrison grüßen als Jugendidol­e. Andere Motive – wie zum Beispiel ein verfremdet­er Schnappsch­uss aus ihrer Tanzschulz­eit – sind nur der Künstlerin bekannt.

All das muss man nicht wissen, um Mane Hellenthal­s Kunst wertzuschä­tzen. Ihre Berge sind einfach überwältig­end. Wahre Sehnsuchts­orte. Und in ihren Installati­onen findet jeder Betrachter mindestens ein Stück, das eine Saite anschlägt. Letztendli­ch sind wir alle Jäger, Sammler – und Wanderer.

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