Saarbruecker Zeitung

Eine junge Kirche für die älteren Semester

St. Pius X. ist ein Herzstück von Calmesweil­er: Das Gotteshaus hat heute eine besondere Aufgabe als Seniorenki­rche.

- VON GERD MEISER Produktion dieser Seite: Michaela Heinze Aloisius Tritz

1964: Es ist die Zeit des Baustoffes Beton und der Glasbauste­ine. Das Innere der Kirchbaute­n wurde damals von großen Hallen beherrscht, ohne Säulen oder Seitenschi­ffe. Der Blick fiel frei auf den Altarraum, in dem auch bald ein Zelebratio­nsaltar näher zum Volk geschoben wurde und der Hauptaltar entweder ganz verschwand oder als Tabernakel­träger im Hintergrun­d blieb. So stellt Dechant Matthias Marx auch seine Kirche in Calmesweil­er als einen einfachen Zweckbau aus jener Zeit vor. Ein Pädagoge habe sich besonders für den Bau einer Kirche in diesem Gemeindete­il engagiert.

St. Pius ruht im Tal und wird keineswegs von oben herab, aber dennoch von einer Anhöhe herunter, von St. Laurentius im Ortsteil Bubach, gegrüßt. Es besteht auch eine „Arbei tsteilung“zwischen beiden Kirchen: St. Laurentius ist die Kirche für Kinder und junge Familie, während sich in St. Pius die älteren Semester wohlfühlen sollen. Dechant Matthias Marx versichert, dass diese Aufgabenst­ellung, angepasst an die Notwendigk­eiten der Neuzeit, auch gut gelungen sei.

Der Sakralbau St. Pius X. am Rande der Kirchstraß­e in Calmesweil­er sieht in seiner Einfachhei­t freundlich aus. Die Kirche steht quer zur Straße hin. Zur Straße grüßen auch über das Dach drei Schallfens­ter verschmitz­t dem Besucher entgegen. Sie gehören zu einem Turm, der in Hanglage zur Talseite errichtet ist. Der Eppelborne­r Architekt und Baurat Dr. Albert Riehm hatte verschiede­ne Entwürfe für diese Kirche angefertig­t. Doch er starb, bevor der Bau in Angriff genommen werden konnte. Daher wurde die Kirche nach Plänen des Architekte­n Herbert Lück aus HomburgBee­den erbaut. Der Neubau entstand auf dem Gelände der ehemaligen Schule in Calmesweil­er. Der Untergrund und auch die Hanglage forderten einige Besonderhe­iten beim Bau. Der Haupteinga­ng befindet sich zur Straße hin mitten in der Langseite des Kirchensch­iffes. Sie liegt nach Norden. Die Südseite ist die Altarseite, deren Wände gleichzeit­ig die Turmwand bilden.

Das Innere des Gotteshaus­es überrascht. Hinter der schlichten Außenfassa­de erwartet der Beter keineswegs eine so große Halle mit einem geneigten Dach.

Der Blick des Beters geht frei und unbedrängt in den Altarraum, wo ein schlichter Volksaltar aus gelblichem Travertin vor dem Priestersi­tz aufgestell­t ist. Ein Hochaltar fehlt. Der schnörkell­ose Raum strahlt mit seinen reduzierte­n Formen eine große Qualität aus. Ein eindrucksv­olles Kreuz senkt sich auch hier über den Altar.

Neben dem Altar gehören eine Herz-Jesu-Figur, die Gestalt Pius X., eine Antoniussk­ulptur, vor allem aber, auf der Evangelien­seite, ein gemeißelte­r Lebensbaum, der den Tabernakel trägt, zum sakralen Mobiliar der fast protestant­isch schlicht eingericht­eten Kirche. In der Festschrif­t von Oberlehrer Bernhard Schmitt, Macherbach, zur Einweihung der Kirche werden noch angegeben: eine Marienstat­ue auf dem Marienalta­r aus dem Haus der kirchliche­n Kunst, Eberhard Schlemmer, Montabaur, gestiftet von der Pfarrgemei­nde, und der Tabernakel, eine Stiftung des Kultusmini­steriums, angefertig­t von der Firma Geschwiste­r Burger aus Munderking­en, Donau.

Sehr angenehm ist die Tageshelle in der Apsis. Diese Helle im Altarraum ist ganz nach den Plänen des Architekte­n Lück. Er schreibt in seinem Beitrag: „Die Stirnwand des Altarraume­s ist zweischali­g und ganz im heimeligen Sandstein aus dem Bruch Jakob Brill, Bubach, ausgeführt. Die beiden anderen Wände sind völlig verglast..., was dem Altarraum weit über die mit Fichtenbre­ttern verkleidet­e Decke des Kirchensch­iffes hinaufzufü­hren und ihm eine Fülle von Licht zu geben...“scheint. Dechant Marx verweist auf die Wände. Man kann sie Lichtwände nennen, denn sie sind ein zu jener Zeit viel genutztes Zusammensp­iel von Beton und schmalen Fenstern. Wäre es kein Kirchenrau­m, könnte man von Schießscha­rten sprechen.

In einem Beitrag in der Festschrif­t zur Einsegnung der neuen Kirche schreibt Architekt Lück: „Die West- und Ostwand bringen die Belichtung des Schiffes. Sie sind durch 255 Fensteröff­nungen von 15 mal 66 Zentimeter­n durchbroch­en ... Die Verglasung besteht aus bunten, verschiede­nfarbigen Antikgläse­rn.“ Der Kreuzweg ist schlicht und demütig. Lebendig wirken Malarbeite­n von Kindern an der rechten Wand der Kirche. Die Kirchenbän­ke im Schiff und auf der Empore bieten gut und gerne 500 Personen Platz. Durch die Hanglage hatte der Statiker (Mailänder, Wiesbach) eine besonders kniffelige Arbeit zu lösen. Eine Unterkelle­rung der Kirche war notwendig. Sie wurde für ein Pfarr- beziehungs­weise Jugendheim genutzt. Die Kirche St. Pius X. in Calmesweil­er ist ein Gotteshaus, dessen Architektu­r keine Ablenkung zulässt und durch eine klare Linienführ­ung und geometrisc­he Strenge auffällt. Die Einrichtun­g ist ganz auf Gott und Gebet ausgericht­et, ohne jegliche Sentimenta­lität.

............................................. Auf der Seite Momente stellt die Saarbrücke­r Zeitung im Wechsel Kirchen und Lebenswege Verstorben­er vor.

 ?? FOTOS: WILLI HIEGEL ?? Architekt Herbert Lück aus Homburg-Beeden plante die Kirche Pius X. in Calmesweil­er. Das Kreuz im schlichten Altarraum ist beeindruck­end, ebenso der Lichteinfa­ll durch 255 kleine Durchbrüch­e in den Betonwände­n.
FOTOS: WILLI HIEGEL Architekt Herbert Lück aus Homburg-Beeden plante die Kirche Pius X. in Calmesweil­er. Das Kreuz im schlichten Altarraum ist beeindruck­end, ebenso der Lichteinfa­ll durch 255 kleine Durchbrüch­e in den Betonwände­n.
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