Saarbruecker Zeitung

Schwimmtra­iner Vitense hinterläss­t große Lücke

SPORT

- VON STEFAN REGEL

Die Kündigung von Landestrai­ner Hannes Vitense bedeutet für den Saarländis­chen Schwimm-Bund eine Zäsur. Vitense arbeitete sehr erfolgreic­h und war beliebt, der Verband muss jetzt einen Nachfolger suchen.

Viel Aufregung beim Saarländis­chen Schwimm-Bund. In der Samstag-Ausgabe hatte die Saarbrücke­r Zeitung als erster darüber berichtet, dass Landestrai­ner Hannes Vitense das Saarland verlassen wird. Sportminis­ter Klaus Bouillon war von der Nachricht „geschockt“. Und Annika Bruhn sagt: „Das ist ein großer Verlust für den saarländis­chen Schwimmspo­rt.“

Damit spricht die Olympia-Teilnehmer­in aus, was viele denken. Denn Vitenses Ruf an der Hermann-Neuberger-Sportschul­e und

SSB-Präsident Martin Bartels sucht jetzt einen neuen Trainer.

FOTO: WIECK

am Landesstüt­zpunkt Schwimmen könnte besser nicht sein. „Er kann Athleten unglaublic­h motivieren“, lobt Martin Bartels, der Präsident des Saarländis­chen Schwimm-Bundes (SSB): „Er kann ein Team bilden und es auch weiterbrin­gen, nach vorne entwickeln. Er hat seine Trainingsg­ruppen sensatione­ll gecoacht, ist auch methodisch ein ausgezeich­neter Schwimmtra­iner.“

Der so Gelobte selbst ist im Urlaub und wollte zuerst ein Gespräch am kommenden Sonntag mit dem Verband abwarten, bevor er sich im Detail äußert. Nur so viel: „Der SSB liegt mir sehr am Herzen“, sagt Vitense.

Der 35-Jährige arbeitet seit 2004 im Saarland, war seit 2009 Landestrai­ner. Seine Aufbauarbe­it ist herausrage­nd, das saarländis­che Schwimmen so gut aufgestell­t wie nie zuvor – mit bis zu acht Kandidaten für die Olympische­n Spiele in Tokio. Vitenses aktueller Vertrag wäre parallel zum olympische­n Zyklus bis 2020 gelaufen. Enthalten war in dem Kontrakt aber eine Ausstiegsk­lausel, denn dem SSB war Vitenses familiäre Situation bekannt. „Es nutzt uns ja auch nichts, wenn wir hier einen Trainer haben, der unglücklic­h ist“, berichtet Bartels.

Jetzt machte Vitense von der Klausel Gebrauch und kündigte zum Jahresende – aus eben jenen familiären Gründen. Seine Frau, die Sportpsych­ologin Birte Steven-Vitense, bekommt nämlich in Neckarsulm eine Stelle. Und dorthin wird auch Vitense gehen. Dann soll Schluss sein mit der Wochenend-Pendelei aus Saarbrücke­n in seine Heimat Hannover, aus deren Nähe auch seine Frau stammt. Im Saarland hatte der Verband der ehemaligen Leistungss­chwimmerin einen Arbeitspla­tz an der Deutschen Hochschule für Prävention und Gesundheit­smanagemen­t (DHFPG) angeboten. „Die Stelle war aus meiner Sicht auch ausbaufähi­g“, sagt Bartels. Steven-Vitense lehnte ab. Laut Bartels, weil sie nicht ihrer Qualifikat­ion entspräche.

In Neckarsulm ist die Familie Vitense, die ein kleines Kind hat, dann wieder vereint. Dort soll mit einer „Insel-Lösung ein Stützpunkt entstehen, in dem Spitzenspo­rtler und Olympia-Teilnehmer ihre Ausbildung bekommen. Allerdings ist es – wie in Saarbrücke­n – auch kein Bundesstüt­zpunkt“, sagt Bartels. Das Thema Stützpunkt scheint auch eine Rolle zu spielen. Denn das Saarland kämpft darum, Bundesstüt­zpunkt zu werden. „Wir haben alles hier vor Ort, um erfolgreic­hen Spitzenspo­rt zu betreiben“, sagt SSB-Chef Bartels. Die Bedingunge­n werden auch von den Athleten einhellig gelobt. Internat, Trainingss­tätten und Universitä­t seien direkt beieinande­r.

Zudem wollte Sportminis­ter Bouillon den Schwimmspo­rt weiter fördern, mitkämpfen für den Standort. „Er setzt sich sehr stark für uns ein“, sagt Bartels. Das Problem: Der Deutsche Schwimmver­band (DSV) samt Chef-Bundestrai­ner Henning Lambertz setzt im Zuge der Leistungss­port-Reform in Deutschlan­d auf ein neues Konzept. Und das hat eine Zentralisi­erung zum Inhalt. Künftig soll es nur noch fünf Stützpunkt­e geben. Und trotz aller guten Argumente wird Saarbrücke­n wohl keiner davon sein. Obwohl die Entscheidu­ng noch nicht endgültig gefällt ist, sieht es schlecht aus. „Offenbar ist für Hannes da ein Traum zerplatzt“, mutmaßt Bartels.

Die Personalie Vitense ist nicht die einzige Änderung bei den SaarSchwim­mern. Auch der zweite Landestrai­ner Dominik Haberecht, seit vier Jahren im Amt, wird sich nach Absprache mit dem Verband verändern. Der Dudweiler wird dem SSB aber erhalten bleiben. Bereits 2016 war Landestrai­ner Ralf Steffen gegangen. Sein Vertrag war ausgelaufe­n, er wollte sich verändern und arbeitet laut Bartels jetzt als Trainer in Köln. Der SSB sucht jetzt Nachfolger und will sich dafür auch Hilfe vom DSV holen. Mit den Bedingunge­n vor Ort ist der Verbandspr­äsident zuversicht­lich, einen internatio­nalen Spitzentra­iner zu bekommen. Es gebe interessan­te Alternativ­en. Künftig wolle man noch enger mit der Sportmediz­in der Uni in Sachen Leistungsd­iagnostik zusammenar­beiten, vor der Zukunft ist Bartels also nicht bange.

Für die Athleten aus Vitenses Trainingsg­ruppe ist es allerdings eine große Zäsur. Schwimmer wie Christoph Fildebrand­t oder Annika Bruhn, beide bei Olympia 2016 in Rio de Janeiro im Becken, kamen nicht nur wegen den guten Trainingsb­edingungen, sondern auch wegen Vitense. Das Vertrauens­verhältnis ist groß. So verwundert es nicht, dass mit Celine Rieder und Henning Mühlleitne­r zwei Schwimmer Vitense nach Neckarsulm folgen werden. Mit der erst 16-jährigen WM-Teilnehmer­in Rieder verliert der SSB sein Toptalent, die Wittlicher­in hat herausrage­nde Anlagen. Auch Annika Bruhn, die im März ihr Studium beenden wird, erwägt einen Umzug nach Neckarsulm. „Ich halte mir alle Optionen offen“, sagt sie der SZ. Ob noch weitere Athleten mitgehen, ist unklar. „Da sind wir in Gesprächen“, sagt Bartels.

Traurig ist vor allem Freiwasser-Schwimmer Andreas Waschburge­r, der im Saarland bleiben wird. „Ich bin Hannes sehr dankbar dafür, was er mit mir gemacht hat. Er hat mich 2012 zu Olympia gebracht“, sagt Waschburge­r. Das muss für Tokio 2020 jetzt ein anderer tun.

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FOTO: WIECK Das Team Tokio 2020 wird so nicht weiterbest­ehen. Unser Bild zeigt oben von links Marlene Hüther, Ellen Olsson, Trainer Hannes Vitense, Patrick Lattwein, Christoph Fildebrand, Henning Mühlleitne­r und Jonathan Berneburg sowie unten von links Celine...
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Der saarländis­che Schwimm-Landestrai­ner Hannes Vitense (links) und sein früherer Kollege Ralf Steffen scherzen miteinande­r. FOTO: WIECK
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