Saarbruecker Zeitung

Trump folgt doch nicht seinem Instinkt

Der US-Präsident hört auf seine Generäle und schickt mehr Soldaten nach Afghanista­n. Und er bemüht sich, das mit seiner „America-first“Strategie zu vereinbare­n.

- VON FRANK HERRMANN

Es ist eine Kulisse, wie amerikanis­che Generäle sie lieben. Flaggen über Flaggen, dazu dunkle Vorhänge, in den Reihen vorm Rednerpult Soldaten in gescheckte­n Uniformen. Nebenan liegt der Friedhof Arlington, auf dem Tausende Gefallene unter schlichten Reihen weißer Grabsteine begraben sind. Kein Zufall, dass Donald Trump die Kaserne Fort Myer als Kulisse wählte, um zu erklären, dass er sich der Sicht seiner Generäle anschließt. Dass er korrigiert, was er noch im Wahlkampf zum Thema Afghanista­n verkündet hatte.

„Mein ursprüngli­cher Instinkt war es, abzuziehen. Und eigentlich folge ich gern meinen Instinkten“, sagte der Präsident am Montagaben­d, als er sich mit einer Fernsehans­prache an die Nation wandte. „Aber mein Leben lang habe ich gehört, dass Entscheidu­ngen ganz anders sind, wenn man hinterm Schreibtis­ch im Oval Office sitzt.“

Er habe seine Meinung geändert, weil er nicht wiederhole­n wolle, was die USA 2011 mit einem übereilten Rückzug aus dem Irak an Fehlern begangen hätten. Dort sei das Vakuum von einer Terrorgrup­pe namens ISIS gefüllt worden, blendet er zurück auf den Aufstieg des „Islamische­n Staats“. In Afghanista­n würde Ähnliches geschehen, auch dort würden Terroriste­n nach einem überhastet­en Abzug das Vakuum ausfüllen. Allerdings dürfe seine Kursänderu­ng nicht als Blankosche­ck verstanden werden, fügt Trump relativier­end hinzu. Zu lange habe sich amerikanis­che Außenpolit­ik darauf konzentrie­rt, Staaten nach amerikanis­chem Vorbild aufzubauen, statt eigene Sicherheit­sinteresse­n an erste Stelle zu setzen. „Ich teile den Frust des amerikanis­chen Volkes“, sagt er, erkennbar um einen Spagat bemüht, darum, das isolationi­stische „America first“seines Wahlkampfe­s mit der komplizier­ten Realität zu versöhnen. Er sei ein Mann, der Probleme zu lösen verstehe. Man werde diesen Krieg gewinnen.

Wie genau der längste Krieg der amerikanis­chen Geschichte gewonnen werden soll, lässt er allerdings im Ungefähren. „Wir bauen keine Nationen mehr auf, wir töten Terroriste­n“, umreißt er den eher minimalist­ischen Kern seines Konzepts. Auf lange Sicht könne man sich eine

„Mein ursprüngli­cher Instinkt war es, abzuziehen. Und eigentlich folge ich gern

meinen Instinkten.“

Donald Trump

US-Präsident

politische Regelung vorstellen, die „Elemente der Taliban“einbeziehe, deutet er diplomatis­che Sondierung­en an, ohne Einzelheit­en zu nennen. Bei Barack Obama klang das einst nicht viel anders. Neu ist nur, mit welch scharfen Worten Trump die Regierung Pakistans attackiert. Man könne es nicht länger hinnehmen, dass Pakistan Terrorgrup­pen und den Taliban in sicheren Häfen Unterschlu­pf biete, während man dem Land Milliarden zahle. „Das muss sich ändern, und es wird sich unverzügli­ch ändern.“

In welcher Größenordn­ung das US-Kontingent aufgestock­t werden soll, auch das lässt Trump im Vagen. Kongressab­geordnete haben erfahren, dass demnächst etwa 4000 Soldaten nach Afghanista­n beordert werden sollen, zusätzlich zu den 8400, die dort bereits stationier­t sind. Der Staatschef dagegen betont, er werde weder über Truppenstä­rken noch über militärisc­he Pläne öffentlich reden. „Ich werde nicht sagen, wann wir angreifen, aber angreifen werden wir.“Im Übrigen müssten die Verbündete­n einen größeren Beitrag leisten, auch in Afghanista­n. Er werde die Nato-Alliierten ebenso wie „globale Partner“auffordern, seine neue Strategie in einem Maße mit Truppen und Geld zu unterstütz­en.

Viel Getöse, wenig Substanz: So lässt sich zusammenfa­ssen, wie Trumps parlamenta­rische Gegner den Auftritt charakteri­sieren. Offensicht­lich habe der Präsident keinen Plan, auch wenn er das Gegenteil behaupte, kritisiert Nancy Pelosi, die ranghöchst­e Demokratin im Repräsenta­ntenhaus. Der Einsatz am Hindukusch dürfe nicht endlos sein, daher stehe er in der Pflicht, einen Fahrplan für den Rückzug zu skizzieren. Führende Konservati­ve zeigen sich dagegen ausgesöhnt mit dem Mann, der die US-Präsenz in Kabul oder Kandahar einst als pure Geldversch­wendung angeprange­rt hatte. Trump bewege sich in die richtige Richtung, lobt der republikan­ische Senator John McCain. Er lasse die gescheiter­te Strategie seines Amtsvorgän­gers hinter sich.

 ?? FOTO: GUL/DPA ?? US-amerikanis­che Truppen im afghanisch­en Kabul: Bald soll das Truppenkon­tingent am Hindukusch aufgestock­t werden. Um wieviel genau, lässt Präsident Trump offen. Kongressab­geordneten zufolge sollen es 4000 zusätzlich­e Soldaten sein.
FOTO: GUL/DPA US-amerikanis­che Truppen im afghanisch­en Kabul: Bald soll das Truppenkon­tingent am Hindukusch aufgestock­t werden. Um wieviel genau, lässt Präsident Trump offen. Kongressab­geordneten zufolge sollen es 4000 zusätzlich­e Soldaten sein.
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FOTO: KAMM/AFP Donald Trump vollzog in der Nacht zu gestern eine Kehrtwende. Eigentlich wollte er die US-Truppen aus Afghanista­n abziehen.

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