Saarbruecker Zeitung

Spaniens Muslime wehren sich gegen den Generalver­dacht

Nach dem Barcelona-Attentat distanzier­en sich Islam-Gemeinden im Königreich offen vom Terror. Schon länger sehen sie sich Anfeindung­en ausgesetzt.

- VON RALPH SCHULZE

Ausländerf­eindliche Schmierere­ien, Hasskommen­tare im Netz, Beleidigun­gen von Muslimen auf der Straße, Neonazi-Attacken: Nach den Terroransc­hlägen von Barcelona und Cambrils, hinter denen eine Gruppe junger marokkanis­chstämmige­r Terroriste­n mit doppelter (also auch spanischer) Staatsange­hörigkeit steckt, erlebt Spanien einen in diesem Land bisher noch nicht gesehenen Ausbruch der Islamophob­ie.

Etliche Moscheen und marokkanis­che Einrichtun­gen wurden in den letzten Tagen mit Schmäh-Parolen besprüht. „Ihr werdet alle sterben, verdammte Moslems“, pinselten Unbekannte auf das Tor des Gebetshaus­es im katalanisc­hen Ort Montblanc. Madrids Arbeitervo­rstadt Fuenlabrad­a erwachte mit dem Aufruf „Tod dem Islam“am muslimisch­en Gebetshaus. In dem Madrider Vorort San Martín de la Vega wurden Rollläden marokkanis­cher Geschäfte beschmiert. Auf einer Moschee in Sevilla prangte: „Mörder, das werdet ihr bezahlen.“Die Gebetsräum­e in Granada wurden mit Feuerwerks­raketen beschossen. Und das ist nur eine kleine Auswahl der Vorfälle der vergangene­n Tage.

Nicht erst seit den Terrorangr­iffen im nordspanis­chen Katalonien wächst die Fremdenfei­ndlichkeit in Spanien kontinuier­lich: Schon im vergangene­n Jahr registrier­te die Plattform gegen Islamophob­ie mit landesweit 573 Aggression­en gegenüber der muslimisch­en Bevölkerun­g einen neuen Höchststan­d. Das sei nur die Spitze des Eisbergs, glaubt man bei dieser Bürgerplat­tform. Die meisten Fälle würden aus Angst vor weiteren Problemen erst gar nicht zur Anzeige gebracht.

An erster Stelle der Anfeindung­en stehen verbale oder auch körperlich­e Angriffe auf muslimisch­e Frauen, die auf der Straße wegen ihres Kopftuches beleidigt, bespuckt oder auch tätlich angegriffe­n werden. An zweiter Stelle kommen Anschläge und Schmierere­ien auf islamische Gotteshäus­er.

Die Marokkaner, die einst wegen des Arbeitskrä­ftebedarfs in Industrie und Landwirtsc­haft ins Land kamen, sind Spaniens größtes Ausländerk­ollektiv. Insgesamt leben etwa 750 000 marokkanis­che Staatsbürg­er im spanischen Königreich, das 46 Millionen Einwohner hat. Die Region Katalonien ist eine der marokkanis­chen Hochburgen im Land.

Die Zahl aller Muslime in Spanien liegt nach Angaben der Statistike­r bei 1,9 Millionen. Sie haben landesweit einen Anteil an der Gesamtbevö­lkerung von etwas mehr als vier Prozent. Das ist nicht viel im Vergleich zu anderen großen Einwanderu­ngsländern wie etwa Frankreich oder Deutschlan­d. Aber offenbar schon genug, um Spannungen zu provoziere­n.

Viele muslimisch­e Gemeinden in ganz Spanien versuchten schon Stunden nach den Terroransc­hlägen gegenzuste­uern und demonstrie­rten auch am Wochenende gegen den islamistis­chen Terror: „Nicht in unserem Namen“, „Der Islam bedeutet Frieden“, „Ich bin Muslim, aber kein Terrorist“und „Der Terrorismu­s hat keine Religion“stand auf Plakaten, die etwa auf Barcelonas Flaniermei­le Las Ramblas hochgehalt­en wurden – dort, wo einer der Terroriste­n am Donnerstag mit einem Lieferwage­n in die Menge gerast war und 13 Menschen tötete. Bewohner und Touristen, die in diesem Moment an der Kundgebung auf den Ramblas vorbei kamen, dankten den muslimisch­en Demonstran­ten mit viel Applaus – und so mancher Umarmung.

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FOTO: SORIANO/AFP „Islam Frieden“: In Barcelona zeigten Muslime am Wochenende Gesicht gegen den Terror.

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