Saarbruecker Zeitung

„Es kann nicht einfach so weitergehe­n“

Die stellvertr­etende SPD-Vorsitzend­e spricht über die Zuspitzung des deutsch-türkischen Streits im Wahlkampf, Sanktionen gegen Erdogan und Kurzschlüs­se.

- FOTO: DPA

Außenminis­ter Sigmar Gabriel (SPD) berichtete von Beschimpfu­ngen durch türkische Nationalis­ten auf dem Anrufbeant­worter seiner Frau; in Herne brannten Autos der SPD-Abgeordnet­en Michelle Münteferin­g, die von Ankara als „Gülen-Anhängerin“beschuldig­t wird. Die SZ sprach darüber mit Aydan Özoguz, SPD-Vize und Integratio­nsbeauftra­gte im Kanzleramt.

Frau Özoguz, wird der deutsch-türkische Streit jetzt gewaltsam gegen SPD-Politiker auf deutschem Boden ausgetrage­n?

ÖZOGUZ Im Fall Münteferin­g sind die Urheber nicht klar. Da müssen wir die Ermittlung­en abwarten. Aber ohne Zweifel ist spürbar, dass der Versuch von Präsident Erdogan, Menschen gegeneinan­der aufzuhetze­n, auch in Deutschlan­d bei bestimmten Kräften Gehör findet.

Richtet sich das auch gegen Sie?

ÖZOGUZ

Ich war im Rahmen des Wahlkampfe­s gerade auf Deutschlan­dtour. Da habe ich das direkt nicht gespürt. Aber zu diesem Zeitpunkt hatte Erdogan seine große Keule in Form des Aufrufs zum Wahlboykot­t gegen SPD, Grüne und CDU auch noch nicht rausgeholt. Was ich aber merke, ist eine unglaublic­he Verunsiche­rung bei vielen Menschen, die aus der Türkei stammen.

Fürchten Sie, dass diese Verunsiche­rung zu einer größeren Wahlenthal­tung unter den Migranten mit türkischen Wurzeln führen wird?

ÖZOGUZ

Bei einigen mag das vielleicht so sein. Bei den Nationalis­ten, die es auch hier gibt, verfängt Erdogans Propaganda natürlich. Sie fühlen sich von ihm unterstütz­t. Auf der anderen Seite habe ich aber auch den Eindruck, dass viele sich nicht so einfach instrument­alisieren und an den Rand unserer Gesellscha­ft drängen lassen wollen. Sie sagen ganz bewusst: Das ist das Land, in dem ich lebe, das will ich mitgestalt­en und deswegen gehe ich wählen.

Das Hauptprobl­em im deutsch-türkischen Verhältnis sind die in der Türkei inhaftiert­en Deutschen Deniz Yücel, Peter Steudtner oder Mesale Tolu. Was kann Berlin tun?

ÖZOGUZ

Sigmar Gabriel hat es lange auf diplomatis­chem Weg versucht, aber es gibt praktisch überhaupt keine Reaktion auf der anderen Seite. Der Außenminis­ter hat Recht, jetzt einen härteren Kurs gegenüber dem türkischen Präsidente­n zu fahren. Ankara muss klar werden, dass wir diese Festnahmen als pure Willkür betrachten.

Aus der Union und den Linken wird bereits vorgeschla­gen, die Vermögen von Erdogan und seines Clans in Europa einzufrier­en, also direkt gegen die Machthaber vorzugehen. Was halten Sie davon?

ÖZOGUZ

Klar ist, dass es nicht einfach so weitergehe­n kann. Die Spannungen im Verhältnis zur Türkei beschränke­n sich aber nicht nur auf Deutschlan­d, sondern sind ein gesamteuro­päisches Problem. Deshalb müssen wir jetzt in der EU darüber reden, welche Schritte notwendig sind. Diese Entwicklun­g können wir nicht hinnehmen.

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Aydan Özoguz plädiert für eine härtere Gangart gegen die Türkei.

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