Saarbruecker Zeitung

Ein Bundespräs­ident in schwierige­r Mission

Im Baltikum ist nicht nur seine Diplomatie gefragt: Denn seine Gastgeber erwarten von FrankWalte­r Steinmeier klare Kante gegen Russland. Und er bemüht sich.

- VON THOMAS LANIG UND ALEXANDER WELSCHER

RIGA (dpa) Geschichte kann komplizier­t sein und widersprüc­hlich, aber zwei klare Botschafte­n hat Bundespräs­ident Frank-Walter Steinmeier mitgebrach­t bei seinem Besuch der baltischen Staaten. „Die Erinnerung an die Vergangenh­eit ist Verpflicht­ung“, schreibt er ins Gästebuch des Okkupation­smuseums in Riga. Und in Tallinn sagt er gestern, am 78. Jahrestag des Hitler-Stalin-Paktes, der

„Geschichte darf keine Waffe sein.“Frank-Walter Steinmeier in der estnischen Hauptstadt Tallinn

die mehr als 50 Jahre währende Unfreiheit der Balten einleitete: „Geschichte darf keine Waffe sein.“

Es ist keine leichte Reise für den Bundespräs­identen, auch wenn er noch so diplomatis­ch erfahren ist. Dass er im Sommer 2016 angesichts der Nato-Aktivitäte­n in Osteuropa, damals noch als Außenminis­ter, vor „Säbelrasse­ln und Kriegsgehe­ul“gewarnt hatte, ist in den baltischen Ländern noch in schlechter Erinnerung.

Damit konfrontie­rt, spricht Steinmeier auf einer Pressekonf­erenz in Riga von einer Berichters­tattung, die „falsch oder missversta­nden worden ist“. Schließlic­h habe er selbst die Beschlüsse des Warschauer Nato-Gipfels zur Stärkung der Ostflanke des Bündnisses mitgetrage­n. Demonstrat­iv und unmissvers­tändlich unterstütz­t er nun – auch mit einem Besuch deutscher Soldaten am Freitag auf dem litauische­n Stützpunkt Rukla – die militärisc­he Hilfe für die baltischen Republiken, die sich seit der russischen Annektion der Krim mehr denn je von Moskau bedroht fühlen. Dies und die Kraftmeier­ei in der Ukraine hat in den Baltenstaa­ten die Sorgen vor einem Rückfall in alte Sowjetzeit­en wieder aufleben lassen. Estland, Lettland und Litauen sind heute alle Mitglieder von EU und Nato. Doch so lange liegt die Zeit als Sowjetrepu­bliken wider Willen eben noch nicht zurück.

Bis heute besteht die Bevölkerun­g in den Ländern noch zu mehr als einem Viertel aus ethnischen Russen. Regelmäßig konstatier­en die baltischen Sicherheit­sbehörden, dass Russland systematis­ch versuche, die öffentlich­e Meinung und innenpolit­ische Prozesse in den kleinen Nachbarsta­aten zu beeinfluss­en. Auch Steinmeier wirft Moskau „verdeckte Einmischun­g mit hybriden Mitteln und gezielte Desinforma­tion“vor. „Kein fremder Staat hat das Recht, sich zur Schutzmach­t einer Gruppe in unserem Land aufzuschwi­ngen. Solche Einflussna­hme lehnen wir ab“, betont der 61-Jährige.

Das geheime Abkommen von 1939 zwischen Hitler und Stalin prägt bis heute das Selbstvers­tändnis der drei kleinen Ostseerepu­bliken. Deutlich wird dies im Okkupation­smuseum, das Steinmeier in Riga besucht. Der Hitler-Stalin-Pakt bildet dort den Ausgangspu­nkt der Ausstellun­g über die mehr als ein halbes Jahrhunder­t währende Fremdherrs­chaft. Aber auch die deutsche Besatzung und die Judenverfo­lgung werden thematisie­rt. Dafür interessie­rt sich Steinmeier bei seinem Rundgang besonders.

Steinmeier ist spürbar bemüht, den Verdacht zu entkräften, er habe einen allzu diplomatis­chen Blick auf das Russland von Präsident Wladimir Putin. „Wer das Völkerrech­t bricht, wer die Institutio­nen des Friedens gefährdet, der erntet unseren gemeinsame­n Widerstand“, sagt er in Talinn. Aber er erinnert eben auch an den „gnadenlose­n Vernichtun­gskrieg“Nazi-Deutschlan­ds gegen die Sowjetunio­n. Eine Lehre aus der Geschichte: Nie wieder dürfe es Sprachlosi­gkeit und blinde Feindschaf­t zu Russland geben.

So oft wie nirgendwo sonst sei er als Außenminis­ter in den baltischen Staaten gewesen, betont Steinmeier mehrfach. Von besonderer Herzlichke­it ist beim Besuch zunächst nicht so viel zu spüren. „Es ist unser erstes Treffen als Präsidente­n und ich bin überzeugt, dass es uns leicht fallen wird, zusammenzu­arbeiten“, sagt Estlands Präsidenti­n Kersti Kaljulaid eher geschäftsm­äßig.

Und von der Presse wird Steinmeier als Weggefährt­e von Altkanzler Gerhard Schröder gleich zu dessen geplantem Einstieg beim russischen Staatskonz­ern Rosneft befragt. Position bezieht Steinmeier dazu nicht. Auch die große Frage, wann er als Bundespräs­ident nach Moskau reist, bleibt unbeantwor­tet. Es werde daran gearbeitet, heißt es.

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FOTO: JUTRCZENKA/DPA Bitte lächeln: Elke Büdenbende­r knipste in Tallinn ihren Ehemann, den Bundespräs­identen Frank-Walter Steinmeier, mit einer jungen Urlauberin aus Deutschlan­d. Noch bis Freitag bereist das Präsidente­npaar das Baltikum.

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