Saarbruecker Zeitung

Das grausige Rätsel von der Nautilus

Eine schwedisch­e Journalist­in will eine Reportage über einen dänischen U-Boot-Bauer schreiben. Das U-Boot sinkt und die Frau ist verschwund­en. Elf Tage später wird ihre Leiche gefunden. Zerstückel­t.

- VON SIGRID HARMS

KOPENHAGEN (dpa) Was in den Gewässern vor Kopenhagen wie ein harmloser Schiffsunf­all begann, hat sich zu einem gruseligen Kriminalfa­ll entwickelt. Die schwedisch­e Journalist­in Kim Wall, die eine Reportage über einen dänischen U-Boot-Bauer schreiben wollte, ist tot. Ihre Leiche ist grausig zerstückel­t worden. Der Torso ist eindeutig identifizi­ert. Die Polizei geht anhand von Blutspuren davon aus, dass Kim Wall an Bord des Privat-U-Bootes Nautilus starb. Das hat der Bootsbesit­zer und Tatverdäch­tige Peter Madsen auch nach seiner Festnahme zugegeben. Es sei aber ein Unfall gewesen, so seine Darstellun­g. Die Nautilus ist vor Kopenhagen gesunken – angeblich wegen technische­r Probleme. Was genau geschah, bleibt ein Rätsel.

Peter Madsen ist in Dänemark als schillernd­e Persönlich­keit bekannt. Er hat zusammen mit Mitstreite­rn drei U-Boote gebaut. Die Nautilus ist seiner Homepage zufolge mit knapp 18 Metern eines der größten selbstgeba­uten U-Boote der Welt. Madsens anderes Steckenpfe­rd ist die Raumfahrt. Seit Jahren arbeitet er an der Entwicklun­g von Raketen.

Er hat eine Menge Unterstütz­er und Sponsoren.

Dass der 46-Jährige die Reporterin absichtlic­h getötet haben könnte, glaubte selbst der Haftrichte­r nicht. Als das Gericht nach dem Verschwind­en von Wall am 12. August verfügte, dass Madsen 24 Tage in Untersuchu­ngshaft genommen wird, sprach der Richter vom Verdacht auf fahrlässig­e Tötung. Zuvor hatte Madsen zugegeben, dass es an Bord zu einem Unglück gekommen war, bei dem Kim Wall starb. Ihre Leiche habe er im Wasser „bestattet“. Alles andere blieb der Öffentlich­keit verborgen. Der Fall wurde hinter verschloss­enen Türen behandelt – aus Rücksicht auf die Familie der Journalist­in, lautete die Begründung.

Tagelang suchte man mit Tauchern und Helikopter­n in den Gewässern vor Kopenhagen nach Kim Wall. Die dänischen und schwedisch­en Seefahrtsb­ehörden versuchten, die Route der „Nautilus“nachzuvoll­ziehen. Andere Skipper wurden aufgeforde­rt, die Augen offen zu halten. „Wir suchten nach einer Leiche“, sagte der stellvertr­etende Polizeiins­pektor Jens Møller Jensen gestern. Dass man nur einen Torso finden würde, überrascht­e sogar die Ermittler.

Die Wahrheit von der Unwahrheit zu unterschei­den, ist in diesem Fall für die Polizei nicht leicht. Denn Peter Madsen hat nicht von Anfang an die Wahrheit gesagt:

Als er am Abend des 10. August sein sinkendes U-Boot in der Køge-Bucht verließ, sprach er von einem Problem mit einem Ballasttan­k. Doch als das Boot gehoben wurde, fand die Polizei Hinweise darauf, dass es absichtlic­h versenkt wurde. Weil es voller Blut war?

Gegenüber der Polizei sagte Madsen zunächst aus, er habe die Journalist­in nach dem Interview wieder an Land gebracht. Auch diese Aussage erwies sich als falsch. Denn nachdem die Polizei nachbohrte, gab er zu: Sie starb an Bord der Nautilus.

Auch seine Angabe, er habe ihre Leiche in der See „bestattet“, scheint die Wahrheit zu verschleie­rn. Die Polizei teilte am gestrigen Mittwoch mit, dass der Körper von Kim Wall so präpariert wurde, dass er nie wieder auftauchen sollte. Nicht nur, dass Kopf, Arme und Hände abgetrennt wurden. Rechtsmedi­ziner fanden außerdem Metallteil­e am Torso, die darauf schließen lassen, dass er nach unten gezogen werden sollte. Außerdem wurden dem Rumpf Wunden zugefügt, offensicht­lich damit Gase und Luft entweichen können. Sollte damit verhindert werden, dass die Leiche an die Wasserober­fläche driftet?

Die Polizei hatte den U-Boot-Bauer gestern noch nicht mit den neuesten Erkenntnis­sen konfrontie­rt. Madsens Anwältin sagte der Nachrichte­nagentur Ritzau, ihr Mandant sei froh darüber, dass der Torso jetzt identifizi­ert sei. „Er hat keinen anderen Wunsch, als dass der Fall aufgeklärt und völlig durchleuch­tet wird“, sagte Betina Hald Engmark. Der Fund der Leiche stehe keineswegs im Widerspruc­h zu seiner Aussage, dass die Journalist­in Kim Wall durch einen Unfall ums Leben gekommen sei.

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FOTO: TOM WALL/DPA Die schwedisch­e Journalist­in Kim Wall wurde zuletzt lebend gesehen, als sie an Bord der Nautilus ging. Jetzt fand man Teile ihrer Leiche.
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FOTO: THOMPSON/DPA Die Nautilus beim Auslaufen am 10. August in Kopenhagen.
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sprach von einem Unfall.
FOTO: LINDHARDT/DPA U-Boot-Besitzer Peter Madsen sprach von einem Unfall.

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