Saarbruecker Zeitung

Sheriff Gnadenlos ringt um Gnade

Dem amerikanis­chen Ex-Polizeiche­f Joe Arpaio droht Haft wegen Demütigung illegaler Einwandere­r.

- VON FRANK HERRMANN Produktion dieser Seite: Iris Neu-Michalik Gerrit Dauelsberg

PHOENIX Als er noch Sheriff war, stand auf einer Tafel in seinem Büro, dass es sich um den härtesten Sheriff Amerikas handelt. Die Insassen des Gefängniss­es, das Joe Arpaio unterstand, hatten rosa Unterwäsch­e zu tragen. In den Zelten auf dem Gelände des Knasts herrschte von Mai bis September brütende Hitze, bisweilen weit über 50 Grad Celsius. Wie zum Hohn ließ der Sheriff dazu den Wetterkana­l laufen, Prognosen über angenehm kühle Sommertage in Kanada. Jäteten die Häftlinge irgendwo am Straßenran­d Unkraut oder lasen Müll auf, waren sie – jeweils zu viert – aneinander­gekettet wie die Sklaven einer Galeere. „I do it my way“(„Ich tue es auf meine Art.“), schrieb Arpaio mit den Worten Frank Sinatras auf ein Brett in seinem Arbeitszim­mer.

Tent City, die berüchtigt­e Haftanstal­t, gibt es seit ein paar Monaten nicht mehr. Arpaio wurde abgewählt, nach 24 Jahren auf dem Posten des Sheriffs von Maricopa County, ausgerechn­et am 8. November, als Donald Trump das Präsidents­chaftsvotu­m gewann. Nun steht er, 85 Jahre alt, erneut im Rampenlich­t, die Symbolfigu­r, die Reizfigur einer Debatte über Pro und Contra einer restriktiv­eren Einwanderu­ngspolitik.

Ein Richter hatte ihn, da war er noch in Amt und Würden, angewiesen, seine diskrimini­erenden Kontrollen einzustell­en, Kontrollen, in deren Fokus vor allem Latinos gerieten. Wegen Missachtun­g des Gerichts drohen ihm bis zu sechs Monate Haft, wenn im Oktober über das Strafmaß entschiede­n wird. Amerikas Hardliner verlangen einen Gnadenerla­ss, und der Präsident scheint geneigt, ihnen den Wunsch zu erfüllen. Zumindest spielt Trump mit dem Gedanken, sei es auch nur, um seine Anhänger mangels substantie­ller Erfolge mit einem symbolisch­en Akt zufrieden zu stellen. „Wurde Sheriff Joe dafür verurteilt, dass er seinen Job gemacht hat?“, fragte er diese Woche, eher rhetorisch, während einer Kundgebung in Phoenix. „Wisst ihr was, ich wage mal eine Prognose. Ich glaube, es wird ihm gut gehen. Sheriff Joe darf sich gut fühlen.“

Es ist neun Jahre her, da sammelte der frühere Drogenfahn­der Arpaio 60 Freiwillig­e, um um zwei Uhr nachts im Rathaus der Kleinstadt Mesa eine Razzia zu starten, auf der Suche nach Menschen, die ohne gültige Papiere ins Land gekommen waren. Es endete mit der Festnahme dreier verstörter Putzfrauen. Später wies er seine Leute an, Autofahrer, die aussehen, als stammten sie aus Mexiko, El Salvador oder Guatemala, anzuhalten, um ihre Papiere zu überprüfen – auf den bloßen Verdacht hin, dass es sich um illegal Eingewande­rte handeln könnte. Ein solches „Racial Profiling“ist in den USA verboten, weshalb ein Bundesrich­ter in Phoenix gegen Arpaio entschied. Der wiederum sprach, statt sich dem Urteil zu fügen, von lächerlich­em Unfug und machte ungerührt weiter. Als Trump praktisch mit Beginn seines Wahlkampfe­s nach Arizona flog, um seiner Forderung nach dem Bau einer Mauer an der mexikanisc­hen Grenze Nachdruck zu verleihen, wurde der alte Mann zur Galionsfig­ur seiner Kampagne. Sheriff Joe, der Patriot in der Wüste. „Ohne dich, Joe, hätte ich das nicht geschafft“, bedankte sich Trump, nachdem er das Vorwahldue­ll der Republikan­er in Arizona gewonnen hatte.

Kein Wunder, dass sich heftiger Streit entzündet hat an der Causa Gnadenerla­ss. Die Bürgerrech­tsliga ACLU sähe darin eine „präsidenti­elle Billigung des Rassismus“: Sie sammelt Unterschri­ften für eine Petition ans Weiße Haus. Anderersei­ts gibt es Verehrer Arpaios, die bereit sind, 3979 Dollar zu zahlen, um mit ihrem Idol in die Normandie zu reisen und der Landung der Alliierten zu gedenken.

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FOTO: BECK/AFP
Sheriff Joe Arpaio aus Phoenix wurde zur Galionsfig­ur von Trumps Kampagne. Wird ihn der Präsident zum Dank begnadigen? FOTO: BECK/AFP

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