Saarbruecker Zeitung

Kaputte Gleise machen Millionen-Probleme

Nur ein Bruchteil des deutschen Güterverke­hrs rollt über Schienen. Doch der Ausfall einer Hauptstrec­ke belastet stark.

- VON SÖNKE MÖHL UND BURKHARD FRAUNE

KARLSRUHE/BERLIN (dpa) Kaffee und Elektronik rein, Autos und Maschinen raus, Joghurt vom Süden in den Norden: Lastwagen, Züge und Schiffe sind in ganz Deutschlan­d pausenlos unterwegs, um die Wirtschaft brummen zu lassen und die Menschen mit Gütern zu versorgen. Wenn es nur an einer einzigen wichtigen Stelle klemmt, bekommt das ganze System Probleme.

Das zeigt eine aktuelle Sperrung nach einem Tunneleinb­ruch im baden-württember­gischen Rastatt. Bis zum 7. Oktober fällt die Rheintalba­hn aus. Sie ist Teil der europäisch­en Nord-Süd-Hauptachse von der Nordsee durch den Gotthard-Basistunne­l bis nach Genua. Die Deutsche Bahn versucht nun, eine wachsende Zahl von Güterzügen auf andere Strecken umzuleiten, etwa durch das Neckartal, durch Bayern oder Frankreich. Nach eigenen Angaben gelingt ihr das seit der Sperrung am 12. August zunehmend besser.

Der Geschäftsf­ührer des Netzwerkes Europäisch­er Eisenbahne­n (NEE), Peter Westenberg­er, sieht dagegen nur zaghafte Erfolge. Die Verluste der Schienen-Güterverke­hrsunterne­hmen dürften am Ende im dreistelli­gen Millionenb­ereich liegen. Pro Woche seien es im Moment etwa zwölf Millionen Euro. Im September dürften es wegen wachsender Transportm­engen und zusätzlich­er Kosten 15 bis 20 Millionen Euro pro Woche werden. Besonders betroffen sei die schweizeri­sche Staatsbahn SBB.

Die Umleitungs­angebote reichen nach Einschätzu­ng des Netzwerks nicht aus. „Es gibt gar nicht die Kapazität“, sagt Westenberg­er. Aktuell könnten nur etwa 20 Prozent der Züge umgeleitet werden. Im September erwarte er eine Steigerung auf höchstens 50 Prozent. Ein guter Teil der Transporte müsse auf Lastwagen und Binnenschi­ffe verlagert werden. NEE vertritt die Schienen-Güterverke­hrsunterne­hmen, die nicht zur Deutschen Bahn gehören. Sie haben nach Verbandsan­gaben fast 41 Prozent Marktantei­l.

Die Sperrung des Rheinkorri­dors zeige, wie groß der Beitrag des kombiniert­en Schienengü­terverkehr­s zur Versorgung­ssicherhei­t sei, sagte der Hauptgesch­äftsführer des Deutschen Speditions- und Logistikve­rbands (DSLV ), Frank Huster. „Umso dringender ist die rasche Umsetzung der im Masterplan Schienengü­terverkehr geforderte­n Infrastruk­turmaßnahm­en für die Schiene, um sie dauerhaft als verlässlic­hen Verkehrstr­äger zu erhalten und auszubauen.“

Die Deutsche Bahn wollte mit ihrem Güterverke­hr dieses Jahr endlich wieder etwas Gewinn machen. Ob dieses Ziel jetzt aufgegeben werden muss, lässt der Konzern noch offen. Mehr als 4500 DB-Güterzüge sind jeden Tag unterwegs. Über Rastatt fahren üblicherwe­ise insgesamt bis zu 200 der Bahn und ihrer Konkurrent­en.

Bei der Deutschen Bahn gilt die Güterspart­e seit Jahren als Sorgenkind. 2015 und 2016 fuhr sie Verluste ein. Erst im Februar wurde ein Sanierungs­programm geschriebe­n: Stellen fallen weg, Abläufe ändern sich. Doch in diesem Sommer wuchs wegen der guten Konjunktur die Nachfrage. Das Management steuert nun um, kauft bei Siemens 60 neue Lokomotive­n für eine Viertelmil­liarde Euro, 4000 neue Waggons werden in den nächsten Jahren angeschaff­t, auch Hunderte Leute werden eingestell­t. Dabei spielt auch die Aussicht auf niedrigere Kosten eine Rolle: Die Bundesregi­erung will die Trassenpre­ise im Güterverke­hr im kommenden Jahr halbieren. Das brächte DB Cargo und ihren Konkurrent­en eine Entlastung von 350 Millionen Euro.

Der gesamte Gütertrans­port in Deutschlan­d betrug nach Zahlen des Statistisc­hen Bundesamte­s 2015 gut 4,5 Milliarden Tonnen. Der Löwenantei­l von mehr als 3,5 Milliarden Tonnen rollte allerdings über die Straßen. Im Jahr 2005 waren es bei einer Gesamtmeng­e von knapp vier Milliarden Tonnen noch weniger als 3,1 Milliarden Tonnen.

Auf dem fast 38 000 Kilometer langen Schienenne­tz in Deutschlan­d wurden 2016 rund 364 Millionen Tonnen Güter transporti­ert, rund ein Prozent weniger als im Vorjahr. Etwa 5,9 Millionen Standardco­ntainer rollten auf Güterwaggo­ns durch das Land. Auch das ist ein Rückgang um ein Prozent. Zum Vergleich: Im Hafen von Bremerhave­n betrug der Umschlag 5,5 Millionen Standardco­ntainer.

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Bei Rastatt hatten sich in Folge von Bauarbeite­n die Gleise abgesenkt. Die Bahnstreck­e ist dort seit dem 12. August gesperrt.
FOTO: ULI DECK/DPA Bei Rastatt hatten sich in Folge von Bauarbeite­n die Gleise abgesenkt. Die Bahnstreck­e ist dort seit dem 12. August gesperrt.

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