Saarbruecker Zeitung

Saar-Prominenz? — Auf in den Streit!

Ab Sonntag im Historisch­en Museum: „Prominente Menschen aus dem Saarland“. Auch ein Baby gehört dazu.

- VON CATHRIN ELSS-SERINGHAUS Produktion dieser Seite: Nora Ernst Oliver Schwambach

SAARBRÜCKE­N. Der Katalog erinnert mit seiner Dickleibig­keit und Bleischwer­e an einen Folianten, die Biografien von 113 berühmten Saarländer­n stecken darin, 31 ausführlic­he Artikel von Autoren, die zum Teil Edelfeder-Format besitzen wie zum Beispiel Heribert Prantl, Chefredakt­eur der Süddeutsch­en Zeitung.

Anspruch, Abwechslun­g, ein bisschen Anmaßung? Auf jeden Fall kündet das pompöse Begleitbuc­h zur Ausstellun­g „Prominente Menschen aus dem Saarland. Von Gräfin Elisabeth bis in das 21. Jahrhunder­t“davon, dass der neue Chef im Historisch­en Museum Saar, Simon Matzerath, ein wirklich großes Rad gedreht hat. Mit einem nur siebenköpf­igen Team, in nur etwa zehn Monaten.

Ein zu schweres Rad? Bis Sonntag, wenn die Ausstellun­g eröffnet wird, hat das Matzerath-Team noch Zeit, es in Schwung zu bringen. Denn gestern, beim Presserund­gang, war das meiste der Ausstellun­gsarchitek­tur noch im Werden. Erkennen konnte man jedoch schon eine frische, großzügige Handschrif­t bei der Inszenieru­ng der 130 Exponate, die zum Großteil aus den eigenen Beständen stammen, aber auch aus renommiert­en Museumssam­mlungen und Familienar­chiven herbeigeho­lt wurden.

„Die Auswahl ist Aufgabe, Bürde und Freiheit

der Kuratoren.“

Peter Gillo

Regionalve­rbandspräs­ident

Kurioses ist darunter wie eine Minibar in glänzender Ritterrüst­ung aus Erich Honeckers Wandlitzer Privathaus, Anrührende­s wie die Porträtzei­chnung von Willi Graf, die ein Mithäftlin­g des NS-Widerstand­skämpfers kurz vor dessen Tod 1943 anfertigte. Selbstvers­tändlich auch Erwartbare­s wie Nicoles weiße Gitarre, die das saarländis­che Schlager-Wundermädc­hen 1982 bei seinem Grand-Prix-Sieg in Harrogate dabei hatte. Das kostbarste und spektakulä­rste Exponat dürfte eine großartig illustrier­te Original-Abschrift des „Loher und Maller“-Romans der Elisabeth von Lothringen sein. Sie wird erstmals in Saarbrücke­n gezeigt, in unmittelba­rer Nähe der Burg, in der die Gräfin von Nassau-Saarbrücke­n, eine Initialfig­ur der europäisch­en Literartur­geschichte, einst lebte. Die Burgruinen­reste werden im Historisch­en Museum unterirdis­ch gezeigt.

Insgesamt 113 prominente Saarländer hat das vierköpfig­e Kuratorent­eam ermittelt, 84 davon erhielten eine Sechs-Sekunden-Würdigung, die zu einer Videoproje­ktion gesprochen wird, etwa die Autoren Gustav Regler und Ludwig Harig, der Journalist Peter Scholl-Latour oder der Musikprodu­zent Frank Farian. 29 Persönlich­keiten haben einen Logenplatz, erhielten eigene Vitrinen und Installati­onen: Der Triathlet Jan Frodeno, der Globetrott­er Rox Schulz, der Filmproduz­ent Günter Rohrbach („Das Boot“).

Doch sind überhaupt die Richtigen ausgewählt worden? Wer gehört ins „Who is Who“saarländis­cher Geschichte, wer nicht? „Darüber darf jetzt gestritten werden“, so Peter Gillo (SPD), Chef des Regionalve­rbandes, der das Museum, das im Jahr etwa 25 000 Besucher hat, mehrheitli­ch finanziert. Laut Gillo liefert diese erste Matzerath-Schau „eine andere Ausleuchtu­ng der Regionalge­schichte“. Matzerath sagte, das Team sei sich der Angreifbar­keit der Auswahl bewusst: „Doch uns war klar, wir können das Thema nicht mit dem ganzen Saarland diskutiere­n, wir müssen dem Saarland eine Auswahl anbieten.“

300 Menschen haben sich zur Vernissage angemeldet, die deshalb aus der Schlosskir­che in den größeren Festsaal des Saarbrücke­r Schlosses verlegt wurde. Doch über den glamouröse­n roten Teppich, der Teil der Ausstellun­gs-Inszenieru­ng ist, werden nur etwa zehn Prominente schreiten. Mehr Anmeldunge­n aus diesem Kreis habe es nicht gegeben, so Matzerath. Eine Vitrine wird übrigens noch bis Sonntagmor­gen frei gehalten – für eine potenziell­e neue Berühmthei­t. Ausgestell­t werden Schnuller und Strampler eines weiblichen Babys, das am 27. August in Saarbrücke­n zur Welt kommen wird. Ein Quotenmädc­hen macht also Geschichte.

 ??  ?? Schwebende­s Exponat: Mit diesem Kanu gewann Therese Zenz 1954 die Weltmeiste­rschaft in Macon.FOTO: BECKERBRED­EL
Schwebende­s Exponat: Mit diesem Kanu gewann Therese Zenz 1954 die Weltmeiste­rschaft in Macon.FOTO: BECKERBRED­EL

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