Saarbruecker Zeitung

Die Liberalen und das Wechselmod­ell

Geht es nach der FDP, sollen Scheidungs­kinder dauerhaft abwechseln­d von Mutter und Vater betreut werden können. Nur es gibt da Haken. Serie Teil sieben.

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BERLIN Alle Parteien haben in ihren Wahlprogra­mmen markante und zum Teil auch ungewöhnli­che Ideen parat, die wir in dieser Serie testen. Heute beschäftig­t sich Werner Kolhoff mit dem Wechselmod­ell nach Ehescheidu­ngen der FDP.

Nach einer Scheidung sollen die Kinder nach Möglichkei­t abwechseln­d von Mutter und Vater in deren jeweiligen Wohnungen betreut werden. Das kann im Verhältnis zwei Drittel zu ein Drittel oder halbe-halbe sein, der Wechselrhy­thmus kann wöchentlic­h oder anders sein. Dieses Modell soll nach dem Willen der FDP rechtlich der Regelfall werden statt des geltenden „Residenzmo­dells“, bei dem die Kinder nur ein festes Zuhause haben, in der Regel bei der Mutter, und nur an manchen Wochenende­n zum anderen Elternteil gehen. Im Streitfall sollen Familienge­richte entscheide­n.

Der Haken: Davon gibt es mehrere. Zum einen funktionie­rt das Modell nur, wenn beide Partner die Kinder auch betreuen wollen. Und dann müssen sie es auch finanziell und zeitlich können. Der Wechsel muss auch den Kindern zumutbar sein. Wohnt einer der Partner in einer entfernten Stadt, oder ist er beruflich stark eingespann­t, wird es schwierig. Außerdem entstehen doppelte Kosten. Kleidung und Spielsache­n müssen bei beiden vorhanden sein, Kinderzimm­er sowieso. Väter, die meinen, sie könnten sich mit dem Modell Unterhalts­zahlungen sparen, haben zwar zunächst Recht. Wenn die Betreuung hälftig ist, ist es der Unterhalts­anspruch auch. Dafür haben sie viel höhere eigene Ausgaben.

Die Bewertung: Immer mehr Scheidungs­eltern praktizier­en das Wechselmod­ell bereits, und das alte Vorurteil, dass den Kindern so ein Zuhause fehle, darf nach den Erfahrunge­n in anderen Ländern wie Schweden, wo es der Regelfall ist, als widerlegt gelten. Sie haben dann eben zwei und kommen meist gut damit klar. Beide Elternteil­e behalten Verantwort­ung für die Erziehung der Kinder auch im Alltag, ob das Schule oder Freizeit ist. Väter werden nicht mehr zum Wochenend-Unterhalte­r degradiert. Die Einstufung als Regelfall kann zudem helfen, Partner zum Einlenken zu bewegen, die dem anderen die Kinder aus Rache oder anderen Motiven vorenthalt­en wollen.

Eine gute Idee. Das Wechselmod­ell ist aber auch in Zukunft nur von einer Minderheit nutzbar, weil es für die Eltern teuer ist und Zeit erfordert. Außerdem funktionie­rt es nicht, wenn die Eltern hoffnungsl­os zerstritte­n sind. Sie müssen miteinande­r kooperiere­n. Angepasst werden müssten zudem zahlreiche weitere Gesetze, vom Kindergeld bis zum Beamtenrec­ht, die derzeit alle noch darauf ausgericht­et sind, dass die Kinder in der Regel nur bei einem Elternteil bleiben.

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