Saarbruecker Zeitung

Experte sieht Bevölkerun­gswandel positiv

Der Ökonom Thomas Straubhaar betrachtet die Schrumpfun­g und Alterung der Gesellscha­ft als Chance.

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SAARBRÜCKE­N (arp) Die demografis­che Situation in Deutschlan­d verändert sich stark: Die Bevölkerun­g schrumpft, die Menschen werden älter als früher, gleichzeit­ig gibt es mehr Zuwanderer. Von vielen wird diese Entwicklun­g negativ gesehen. Vielfach gelesen: Thilo Sarrazins „Deutschlan­d schafft sich ab“.

Thomas Straubhaar will diesen Thesen etwas entgegense­tzen. Sie waren die Motivation für sein Buch „Der Untergang ist abgesagt – Wider die Mythen des demografis­chen Wandels“, über das der Volkswirts­chaftsprof­essor und Direktor des Europa-Kollegs Hamburg in der Stiftung Demokratie Saarland referierte. Für ihn bietet der Wandel neue Möglichkei­ten, individuel­le und gesellscha­ftliche Verhaltens­weisen zu ändern, wirtschaft­liche und politische Strukturen anzupassen.

Zehn Mythen analysiert­e Straubhaar und entlarvte sie als falsch. So fragte er sich, ob die Schrumpfun­g und Alterung der Gesellscha­ft tatsächlic­h dem Wohlstand schade. Seine Antwort: Nein, „weil je weniger Menschen da sind, desto mehr Infrastruk­tur pro Kopf gibt es, Qualität kann sich auf weniger Menschen konzentrie­ren und wird so besser.“Nein, weil der Alterungse­ffekt sich durch die Alten von Morgen selbst behebe, „denn sie bleiben länger produktiv“. Staubhaars Forderung daher: „Wir brauchen nicht mehr Alters- und Pflegeheim­e, sondern andere, in denen Ältere noch aktiv sein können.“Arbeit könne durch Projekte für ältere Mitbürger interessan­t gestaltet werden.

Dass Deutschlan­d mehr Zuwanderun­g brauche und mehr Vielfalt besser sei, unterstütz­e er bis zu einem gewissen Maße. „Die ökonomisch­en Auswirkung­en der Zuwanderun­g dürfen aber nicht unterschät­zt werden.“Das gelte im Positiven wie im Negativen. Fachkräfte gezielt ins Land zu holen, könne nicht funktionie­ren. Das sei naiv. „Ein indischer Programmie­rer macht seine Tätigkeit vielleicht zwei Jahre und entscheide­t sich danach, etwas anderes zu tun. Das ist sein gutes Recht“, sagt Straubhaar.

Durch die Vielfalt könne das Gemeinsame verloren gehen, ebenso eine einheitlic­he Wertebasis. Thilo Sarrazins These, Deutschlan­d schaffe sich ab, konterte er aber mit dem „Zeugen-Jehovas-Urteil“des Bundesverf­assungsger­ichts aus dem Jahre 2000. Das Gericht befand, dass das Grundgeset­z Maßstab aller Dinge sei und als Verhaltens­kodex diene. Eine besondere Staatsloya­lität, wie sie Bundeskanz­lerin Angela Merkel kürzlich von den Türken in Deutschlan­d forderte, sei nicht notwendig.

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FOTO: DANIEL REINHARDT/DPA Thomas Straubhaar

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