Saarbruecker Zeitung

Bildungs-Wahlkampf an der roten Linie

Die SPD mit Martin Schulz glaubt, endlich Angriffspu­nkte gegen die Union gefunden zu haben: von der Kita bis zur Uni.

- VON WERNER KOLHOFF

BERLIN (SZ/dpa) Das war ein ganz großer Aufschlag: Alle sieben Ministerpr­äsidenten der SPD holte Kanzlerkan­didat Martin Schulz gestern im Berliner Willy-Brandt-Haus auf die Bühne, um ein neues Wahlkampft­hema aufzumache­n: Bildung. Eigentlich ist sie Ländersach­e, doch das soll nach dem Willen der Sozialdemo­kraten nicht so bleiben. Und die sieben Ministerpr­äsidenten spielten ihre Rolle brav mit. Jeder redete disziplini­ert zwei Minuten lang und begründete, warum es eine gute Idee ist, dass der Bund die Länder und Gemeinden bei der Finanzieru­ng von Kitas, Schulen und Hochschule­n unterstütz­t. „Den Eltern ist es ziemlich schnuppe, wer für Bildung in ihrem Land zuständig ist, sie wollen einfach, dass es funktionie­rt“, sagte etwa die Ministerpr­äsidentin von Mecklenbur­g-Vorpommern, Manuela Schwesig.

Nun also eine „nationale Bildungsal­lianz“. Schulz und seine in Umfragen weit hinter der Union liegende Partei erhoffen sich mit der Initiative vier Wochen vor der Bundestags­wahl, vor allem noch unentschie­dene Wähler für sich zu gewinnen, denen eine gute Ausbildung ihrer Kinder wichtig ist.

Mit dem Vorstoß ist eine klare Trennungsl­inie zur Union markiert, nämlich das „Kooperatio­nsverbot“im Grundgeset­z. Es besagt, dass Bildung allein Ländersach­e ist und der Bund nicht einmal indirekt durch Geldzuschü­sse mitmischen darf. Freilich ist das bei der Finanzieru­ng von Ganztagssc­hulen, Krippen und Exzellenz-Universitä­ten in der Vergangenh­eit schon ziemlich durchlöche­rt worden. Nun will die SPD das Grundgeset­z auch für alle Schulen ändern. Sie spricht von einem „kooperativ­en Bildungsfö­deralismus“, der das bisherige System ablösen soll.

Diese Grundgeset­zesänderun­g ist Voraussetz­ung für die Umsetzung der zahlreiche­n SPD-Wahlverspr­echen auf diesem Feld. So fordert die Partei eine gebührenfr­eie Ausbildung von der Kita bis zum Meister, eine Million zusätzlich­e Ganztagssc­hulplätze, einen Rechtsansp­ruch auf Betreuung auch für Grundschül­er, vergleichb­are Schulabsch­lüsse in allen Ländern und ein Investitio­nsprogramm

Martin Schulz, von zusätzlich zwölf Milliarden Euro in die Gebäude.

Im Wahlprogra­mm der Union steht hingegen: „Bildung ist Ländersach­e und wird es bleiben“. Damit sind CDU und CSU die einzigen Parteien, die klar am Kooperatio­nsverbot festhalten und eine Grundgeset­zänderung ablehnen. Die Union will die Länder lediglich wie bisher unterstütz­en, etwa durch die Fortsetzun­g des Hochschulp­akets. Allerdings fordert auch die Union einen Rechtsansp­ruch auf Betreuung auch in der Grundschul­e. Kritik am SPD-Vorstoß zum Bildungs-Zentralism­us kam prompt, unter anderem von Hessens Ministerpr­äsident Volker Bouffier (CDU). Schulz reagierte trotzig: „Wir werden die nationale Bildungsal­lianz auf den Weg bringen, egal wie. Da werden wir nicht lockerlass­en.“.

Am dichtesten bei der SPD ist bildungspo­litisch die FDP. Auch sie will an den Bildungsfö­deralismus heran und spricht von einer „grundlegen­den Reform“. Die Hochschulf­inanzierun­g soll den Ländern komplett weggenomme­n werden und über einen von ihnen zu speisenden bundesweit­en Fonds erfolgen. Die Liberalen wollen darüber hinaus die Bildungsau­sgaben insgesamt massiv erhöhen. Deutschlan­d soll künftig beim Anteil dieser Ausgaben am Staatshaus­halt zu den ersten fünf unter den 35 OECD-Staaten gehören. Derzeit liegt es auf Platz 28. Die Ausgaben müssten dafür um 50 Prozent angehoben werden. FDP-Chef Christian Lindner sagte gestern, Länder und Kommunen als finanziell schwächste Glieder des Gemeinwese­ns könnten das nicht allein schultern. Die Linken erheben ähnliche Forderunge­n.

Auch die Grünen wollen das Kooperatio­nsverbot abschaffen und die Bildungsau­sgaben deutlich steigern. Eine Ampelkoali­tion – RotGelb-Grün – wäre auf diesem Feld also kein großes Problem, ebenso wenig wie Rot-Rot-Grün. Allerdings ist im grünen Wahlprogra­mm stets davon die Rede, das Bund und Länder gemeinsam am Ausbau des Bildungssy­stems arbeiten sollten. Hintergrun­d ist hier, dass sich der einzige Ministerpr­äsident der Grünen, Winfried Kretschman­n in Baden-Württember­g, bisher klar gegen die Aufhebung des Kooperatio­nsverbots ausgesproc­hen hat. Das sei für ihn „eine rote Linie“, hatte der Landesvate­r gesagt.

„Wir werden die nationale Bildungsal­lianz auf den Weg bringen,

egal wie.“

SPD-Kanzlerkan­didat

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FOTO: SCHNEIDER/VISUM Bildung fängt bei den Kleinsten an: Die SPD will, dass der Bund künftig kräftig Geld für Kitas, Schulen und Hochschule­n ausgibt. Doch Bildung ist Ländersach­e, entspreche­nd groß ist der Gegenwind. Auch seitens der Union.

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