Charly Hübner als Ex-Junkie im Kino
Charly Hübner über seine Rolle in „Magical Mystery oder Die Rückkehr des Karl Schmidt“nach Sven Regeners Roman.
SAARBRÜCKEN Die 90er Jahre waren die große Zeit des Techno und nächtelanger Raves mit Aufputsch-Pillen aller Art. In Arne Feldhusens Film „Magical Mystery oder Die Rückkehr des Karl Schmidt“, nach dem Buch von Sven Regener, geht es zurück in diese Zeit. Der Film ist eine Fortsetzung von Regeners „Herr Lehmann“. Fünf Jahre sind vergangen, seit eine Gruppe Freunde ihre wildesten Partys erlebte. Die Technofreaks überreden ihren labilen, ehemals drogenabhängigen Kumpel Charly, gespielt von Charly Hübner („Das Leben der anderen“, „Polizeiruf“), noch einmal mit ihnen auf Rave-Tour durch Deutschland zu gehen.
Herr Hübner, wenn Sven Regener die Feder geschwungen hat, Arne Feldhusen („Stromberg“) Regie führt und Detlev Buck Kollege ist – sagt man dann automatisch zu?
Hübner Ja. Für mich waren diese Sven-Regener-Welten immer ein Kosmos, den ich aus der Ferne bewundert habe. Arne und ich kennen uns schon länger. Er hat mir das Projekt vorgestellt, und mir war klar, dass ich das Angebot erstmal prüfen muss. Vielleicht würde ich ja zu aufgeregt sein und das gar nicht hinkriegen! Ich habe das Buch gelesen, war sehr begeistert und fühlte mich geehrt. Dass Detlev Buck dann als „Regener-Papst“höchstpersönlich dazu gestoßen ist, war ein zusätzliches Schmankerl.
Was für eine Rolle spielt Musik in Ihrem Leben?
Hübner Eine große. Ich bin sehr musikalisch. Ich höre ständig Musik und bin sehr früh in die Welt der Stromgitarren geraten. Das war meine Prägung als Teenager. Später haben sich alle möglichen Genres hinzugefügt, außer Disco-Musik. Und irgendwann kam dann auch Rave dazu. Joe Strummer von „The Clash“hatte irgendwo mal gesagt: „Raver sind die besseren Hippies.“. Strummer war natürlich eine Punk-Ikone. Gerade diese dunkle Musik, die aus Detroit rüber schwappte und in Berlin im „Tresor“zu hören war, hat mich immer wieder zum Mitraven eingeladen. Aber ich habe nie zuhause Techno gehört.
Ihre Filmfigur, die auch Charly heißt, erlebte die Wende als Trauma. Wie war es bei Ihnen?
Hübner Am betreffenden Abend haben wir Generalprobe vom Karnevalsklub gehabt, und der Alkohol ist reichlich geflossen. Den Fall der Mauer haben wir gar nicht mitbekommen, ich kenne ihn nur aus der Nacherzählung. Deshalb war „Bornholmer Straße“so ein Projekt, bei dem ich diesen Moment noch einmal selbst nachholen konnte. Ich war zur Wende 17 Jahre alt, da war das sich Lösen vom Elternhaus eh in den Knochen drin. Deshalb fühlte sich für mich der Aufbruch im ehemaligen Ostteil der Bundesrepublik gar nicht als großer Unterschied an. Das Berlin vor dem Mauerfall kannte ich nicht. Aber der Weg zum Schauspielerberuf wäre mir in der DDR so sicher nicht gelungen.
Spüren Sie trotzdem noch eine DDR-Identität in sich?
Hübner Jeder hat natürlich seine eigene Identität. In meiner Generation, aber auch noch bei den zehn Jahre Jüngeren und erst recht bei den Älteren erkenne ich immer sofort, wenn jemand aus der ehemaligen DDR stammt. Es ist eine andere Form von Direktheit im Alltäglichen, eine andere Prägung. Was sich im Laufe meines Lebens aber immer mehr durchsetzt, sind die Mecklenburger Wurzeln. Dieses Norddeutsche ist noch mal ein anderer Stempel, der über die DDR hinausreicht.
Ihre Figur Charlie, die einen Entzug hinter sich hat, erleidet einen Zusammenbruch. Wie kommt eine so intensive Szene zustande?
Hübner Darüber haben wir viel diskutiert. Dieser Moment ist ja wie ein Dammbruch, der sich vorher schon angekündigt hat. Wir haben es am Ende genauso gedreht, wie Sven es im Roman vorgegeben hat.
Sind Sie selbst vor depressiven Schüben gefeit?
Hübner Ja. In meinem Leben war das bisher kein Thema. Eine gewisse Melancholie gehört zu meinem Alter und meinem Beruf. Überhaupt halte ich Melancholie für ein gutes Ausgleichsbecken zu der hysterischen Gesellschaft, in der wir leben. Aber Depressionen oder Flashbacks sind mir bislang nicht widerfahren. Die Filmfigur Charlie hat jahrelang Tabletten in einer Drogen-Entwöhnungs-WG zu sich nehmen müssen. Und man weiß, dass beim Absetzen dieser Medikamente nicht nur die Dämonen wiederkommen, die durch sie im Zaum gehalten wurden, sondern auch die, die sich mittlerweile im Unterbewusstsein dazu gesellt haben.
Im Film fängt einer der Jungs mit den Händen einen Fisch – und keiner sieht es. Gibt es einen Film, auf den Sie besonders stolz sind, den aber kaum jemand gesehen hat?
Hübner Mit dem Stolz ist das so eine Sache. Ich fände es spannend, nochmal „Im Schwitzkasten“oder „Autopiloten“zu gucken, für mich wichtige, erste Filme. Rosa von Praunheim hat mich als Sexualmörder in „Der rosa Riese“interviewt. Wir hatten keine Kostüme, keine Figur. Ich liege auf der Couch und nur durch die Interviewfragen wird behauptet, ich sei Wolfgang, der sieben Frauen ermordet hat. Interessant, wie sich im Kopf ein Film zusammensetzt. Beim Festival in Hof haben sich die Zuschauer wirklich geekelt. Man hat mir die Rolle geglaubt, obwohl Rosa nur die Kamera draufgehalten hat.
Die Fragen stellte André Wesche. Der Film läuft ab morgen in der Saarbrücker Camera Zwo.