Saarbruecker Zeitung

Kims kühne Machtspiel­e mit Raketen-Tests

Auch schärfere Sanktionen wirken sich nicht auf Nordkoreas Raketenpro­gramm aus. Das Land macht einfach weiter. Stets im Blick: die USA.

- VON DIRK GODDER UND LARS NICOLAYSEN

Nordkorea scheinen schärfere Sanktionen nicht zu beeindruck­en. Und so holt Diktator Kim kühl zum erneuten Test-Schlag aus. Diesmal überfliegt seine Rakete Japan. Im Blick hat er aber jemand anders.

SEOUL/TOKIO (dpa) Die Verschnauf­pause war nur von kurzer Dauer. Der jüngste nordkorean­ische Test einer weitreiche­nden Rakete, die gestern über Japan flog, hat den zart aufkeimend­en Hoffnungen auf eine Entspannun­g in der Region einen herben Dämpfer versetzt. Nordkorea dreht mit seinem neuerliche­n Manöver im Konflikt um sein Atomprogra­mm ein weiteres Mal an der Eskalation­sschraube.

Denn der Test ist auch ein Schlag ins Gesicht von US-Präsident Donald Trump, der sich noch vor wenigen Tagen zuversicht­lich geäußert hatte, Nordkoreas Machthaber Kim Jong Un beginne, „uns Respekt zu zollen“. Auch US-Außenminis­ter Rex Tillerson sagte anerkennen­d, Nordkorea habe seit der Verhängung neuer Sanktionen des UN-Sicherheit­srats in diesem Monat wegen der Interkonti­nentalrake­tentests des Landes im Juli „keine weiteren Provokatio­nen“mehr unternomme­n.

Doch dieser Zweckoptim­ismus scheint vorerst dahin. Trump betonte jetzt nach dem neuen Raketenver­such, dass „alle Optionen auf dem Tisch“lägen. Vor der vermeintli­chen kurzen Entspannun­gsphase hatten sich Washington und Pjöngjang, das den USA eine feindselig­e Politik unterstell­t, bereits gegenseiti­g mit scharfen Drohungen überzogen. Trump drohte der kommunisti­schen Führung in Pjöngjang „mit Feuer und Zorn“. Kim drohte zwischenze­itlich, vier Mittelstre­ckenrakete­n in die Gewässer um die für die USA strategisc­h wichtige Pazifikins­el Guam abzufeuern.

Kim scheint sich jedenfalls auf ein langes Kräftemess­en mit Trump einzuricht­en. Der Zeitpunkt des Raketentes­ts war nach Einschätzu­ng von Experten bewusst gewählt. „Das nordkorean­ische Regime hat einen scharfen Sinn dafür, wie es mit seinem beschleuni­gten Raketentes­tprogramm maximale Wirkung erzielt“, schreibt der Direktor beim Informatio­nsdienst IHS Jane‘s, Paul Burton. Absicht des Tests einer mutmaßlich­en Mittelstre­ckenrakete des Typs Hwasong-12 sei es wohl gewesen, „bei Washington und seinen Verbündete­n mehr Achtung zu erlangen, ohne zu sehr zu provoziere­n“.

Mit seinem Verhalten signalisie­rt Nordkorea nach Meinung von Beobachter­n zweierlei: Dass das Land im Konflikt um sein Atom- und Raketenpro­gramm nicht einlenken will – und dass es jederzeit imstande ist, Guam mit seinen Raketen zu erreichen.

Die Rakete gestern legte nach südkoreani­schen Angaben auf dem Weg über Japan eine Strecke von 2700 Kilometern zurück, bevor sie in den Pazifische­n Ozean niederging. Die Distanz zwischen Pjöngjang und Guam in die andere Richtung beträgt etwa 3000 Kilometer. Der frühere japanische Vize-Admiral Yoji Koda glaubt, Kim habe die USA provoziere­n wollen, der Test habe sich nicht in erster Linie gegen Japan gerichtet. Trotzdem wolle Pjöngjang den Streit mit Trump offenbar nicht auf die Spitze treiben, sagte er der japanische­n Nachrichte­nagentur Kyodo. Wäre die Rakete nahe von Guam niedergega­ngen, wäre die Reaktion „heftig“ausgefalle­n, urteilte er.

China sieht jedoch inzwischen einen „kritischen Punkt“im Konflikt auf der koreanisch­en Halbinsel erreicht. „Druck, Sanktionen und Drohen“hätten nicht geholfen, die Probleme zu lösen, sagte eine Sprecherin des Pekinger Außenminis­teriums. Nur mit einer Rückkehr an den Verhandlun­gstisch könne man die Situation entspannen.

Auch die Regierung in Tokio sieht eine neue Eskalation­sstufe. Ein Sprecher sprach von einer „beispiello­s ernsten und schwerwieg­enden Bedrohung“für die Sicherheit des eigenen Landes. Zum ersten Mal flog eine ballistisc­he Rakete Nordkoreas über japanische­s Gebiet. Bei diesem Raketentyp handelt es sich in der Regel um Boden-Boden-Raketen, die einen konvention­ellen, chemischen, biologisch­en oder atomaren Sprengkopf ins Ziel befördern können.

1998 hatte Nordkorea eine Satelliten­rakete abgefeuert, von der Teile über Japan hinweggefl­ogen waren. Dies hatte Japan damals zum Anlass genommen, den Bau von Spionagesa­telliten zu beschließe­n. Auch 2009 flog eine Rakete über Japan hinweg – Nordkorea sprach wiederholt von einer Weltraumra­kete, die einen Satelliten zu friedliche­n Zwecken ins All befördern sollte. Allerdings werfen die USA und ihre Verbündete­n Nordkorea vor, unter dem Deckmantel des Satelliten­programms nur die Technik für Langstreck­enraketen voranbring­en zu wollen.

Durch den jetzigen Raketenabs­chuss dürfte sich auch der japanische Ministerpr­äsident Shinzo Abe in seiner Haltung bestätigt sehen – zumal das nordkorean­ische Manöver unangekünd­igt erfolgt sein soll. Abe will seit langem die pazifistis­che Nachkriegs­verfassung ändern, um Japans „Selbstvert­eidigungsk­räfte“rechtlich zu legitimier­en. Die Regierung diskutiert­e in den vergangene­n Monaten zudem laut über Pläne für eine mögliche Evakuierun­g von Japanern aus Südkorea. Kritiker sprachen indes von Panikmache: Abe wolle Angst in der Bevölkerun­g schüren, um seine politische­n Ziele durchzuset­zen.

 ?? FOTO: SINMUN/DPA ?? Nordkoreas Diktator Kim Jong Un bei der Arbeit: Die sieht oft so aus, dass er neue Angriffsra­keten testet und sich dabei stets mediengere­cht – wie hier 2014 – ablichten lässt. Der Westen ist alarmiert.
FOTO: SINMUN/DPA Nordkoreas Diktator Kim Jong Un bei der Arbeit: Die sieht oft so aus, dass er neue Angriffsra­keten testet und sich dabei stets mediengere­cht – wie hier 2014 – ablichten lässt. Der Westen ist alarmiert.

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