Stefan Kuntz stellt neue U21 zusammen
Doppel-Europameister Stefan Kuntz hat eine neue U21 zusammengestellt. Und der Neunkircher setzt wieder auf soziale Komponenten.
Für den Doppel-Europameister Stefan Kuntz geht es wieder los. Der Nationaltrainer aus Neunkirchen hat eine neue U21 zusammengestellt. Er setzt wieder auf soziale Komponenten und will so eine neue Erfolgsgeschichte schreiben.
HARSEWINKEL-MARIENFELD Seit Montag steht Stefan Kuntz wieder auf dem Trainingsplatz. Und das macht ihm so viel Spaß, dass er sich beim ersten Training glatt in der Zeit „verdaddelt“hat. Nach dem EM-Titel der U21-Fußballer hat für den Trainer, der 1996 auch als Spieler Europameister wurde, ein neuer Zyklus begonnen. Das Ziel ist die Qualifikation für die nächste EM 2019 in Italien. Und natürlich die Weiterentwicklung der einzelnen Spieler.
Auf die ist Kuntz besonders gespannt. „Das ist total spannend, wenn so viele Neue dabei sind“, sagt der 54-Jährige, der seinen Vertrag nach dem Titel bis 2020 verlängert hatte. Die Karten werden nun neu gemischt. „Die, die vorher in der zweiten Reihe standen, müssen Verantwortung übernehmen. Wir müssen gucken, dass wir schnell eine Einheit werden“, beschreibt der Neunkircher den Prozess des Kennenlernens und Zusammenwachsens. Es geht darum, möglichst schnell eine Einheit zu werden.
Kuntz hat seinen neu zusammengestellten 23-Mann-Kader für zehn Tage zusammengezogen – so lange wie immer, wenn zwei Spiele anstehen. Die U21-Auswahl des Deutschen Fußball-Bundes spielt am Freitag (18 Uhr/Eurosport) ein Testspiel in Paderborn gegen Ungarn, ehe am kommenden Dienstag (19 Uhr/Eurosport) das erste Qualifikationsspiel gegen den Kosovo ansteht. „Fallobst gibt es nicht mehr“, warnt Kuntz vor der Mannschaft des kleinen Balkanlandes, das bis vor Kurzem noch kein Uefa-Mitglied war und erstmals eine U21 ins Rennen schickt. Auf dem Papier klingt die deutsche Gruppe machbar, die weiteren Gegner heißen Aserbaidschan, Norwegen, Irland und Israel. „Ich freue mich darauf, das Team über eine komplette Qualifikationsphase zu begleiten“, sagt Kuntz.
Nach dem EM-Titelgewinn Ende Juni stehen Kuntz und seine Spieler vor einem Neuanfang. 16 Akteure aus dem in Polen siegreichen Kader erreichten die Altersgrenze. Nur fünf Spieler sind dabei, die in Krakau beim 1:0-Endspielsieg zum Kader gehörten. Thilo Kehrer (Schalke 04), Lukas Klünter (1. FC Köln), Waldemar Anton (Hannover 96), Nadiem Amiri (1899 Hoffenheim) und Levin Öztunali (FSV Mainz 05) sind die Europameister, auf die der Trainer auch jetzt baut.
Demgegenüber stehen 15 Talente vor ihrem Debüt für die U21. „Solch eine neue Gruppe bedeutet natürlich eine Sondersituation. Das ist eine Chance für die Jungs. Hier können sie sich ausprobieren“, sagt Kuntz: „Sie brauchen keine Angst vor Fehlern zu haben. Sie sollen sich entwickeln.“Zumal es anders als im Verein eine Entwicklung unter Gleichaltrigen ist: „Jeder kann jetzt lernen, Verantwortung zu übernehmen.“
Verantwortung hat auch eine soziale Komponente. Dazu passt eine karitative Aktion des Deutschen Fußball-Bundes. Bereits seit Jahren besucht die Mannschaft unter dem Motto „U21 hilft“Organisationen, Schulen oder ähnliches, um den Menschen eine Freude zu machen. So war das Team auch schon mal in einem Kinder-Hospiz zu Besuch. Und es macht Kuntz besonders stolz, wenn er sich erinnert, dass er keine Spieler dafür bestimmen musste, sondern sie sich freiwillig meldeten. Heute besucht die U21 die Behinderten-Einrichtung Integra in Bielefeld und wird dort ein kleines Training absolvieren. Ein Termin, der die Spieler erdet, wenn sie nicht sowieso wie Kuntz selbst schon bodenständig sind.
Zwei seiner Jungs kennen sich mit Verantwortung schon aus. Der Leverkusener Jonathan Tah, der die EM verletzungsbedingt absagen musste, kehrt ins Aufgebot zurück. Er hat schon A-Länderspiele absolviert. Auch Lukas Klostermann von RB Leipzig steht nach mehr als einem Jahr vor seiner Rückkehr. Auf der anderen Seite sind Talente wie Suat Serdar (FSV Mainz 05), Aymen Barkok (Eintracht Frankfurt) oder Torwart Svend Brodersen (FC St. Pauli) nur absoluten Fachleuten bekannt. Um den Kader zusammenzustellen, hieß es für Kuntz, viel Fußball zu schauen. Live im Stadion, am Fernseher. „Wir haben natürlich auch Scouts, ich habe mit meinen Trainerkollegen der U20 und U19 gesprochen. Und ich habe natürlich gute Kontakte zu den Bundesliga-Trainern“, beschreibt der Furpacher die Vorgehensweise: „Da bekommt man dann schon ein gutes Gefühl für die Jungs.“
Die Mannschaft ist im Hotel Klosterpforte (zwischen den Spielorten Paderborn und Osnabrück) untergebracht, das Kuntz noch aus seiner Spielerzeit bei Arminia Bielefeld kennt. „Wir trainieren viel individuell, in kleinen Gruppen gehen wir auf die Schwächen der Spieler ein“, berichtet Kuntz. Dabei helfen ihm zwei Co-Trainer, zwei Athletik-Trainer und Torwart-Trainer Klaus Thomforde. Und wenn die Ära Kuntz weiterhin so erfolgreich verläuft wie bisher, interessiert auch keinen, wenn sich der Chef nach dem offiziellen Trainingsende auf dem Platz in der Zeit „verdaddelt“.
„Die Jungs brauchen keine Angst vor Fehlern zu haben. Sie sollen
sich entwickeln.“
U21-Nationaltrainer Stefan Kuntz
über seine neue Mannschaft