Saarbruecker Zeitung

Der katalanisc­he Traum entzweit Spanien

Ministerpr­äsident Mariano Rajoy will partout kein Referendum.

- VON RALPH SCHULZE

MADRID/BARCELONA Die Terroransc­hläge in Katalonien haben das Streben der nordostspa­nischen Region nach Unabhängig­keit nur kurz unterbroch­en. Inzwischen sind die spontanen Gedenkstät­ten in Barcelona und in Cambrils, wo viele Menschen am Ort der Anschläge Blumen und Botschafte­n gegen den Terror deponierte­n, wieder abgeräumt. Und die Vorbereitu­ngen in der rebellisch­en Region, in der die Bürger am 1. Oktober in einem einseitige­n Referendum über die Abspaltung von Spanien abstimmen sollen, laufen wieder auf Hochtouren.

Katalonien­s Separatist­enregierun­g unter Carles Puigdemont ließ ein Gesetz auf den Weg bringen, das im Falle eines Sieges bei der Abstimmung die Abtrennung vom Königreich und das Ende der spanischen Hoheit auf katalanisc­hem Territoriu­m besiegeln soll. In dem Gesetz ist dann auch gleich vorgesehen, dass mit der Ausrufung einer Republik Katalonien nicht mehr König Felipe als oberster Repräsenta­nt des Staates firmiert, sondern Puigdemont.

Doch das ist nur der Anfang der geplanten Rebellion: Die spanische Verfassung und Gesetzgebu­ng will man per Federstric­h eliminiere­n und durch ein katalanisc­hes Regelwerk ersetzen. Die Steuerhohe­it würde komplett übernommen, um den katalanisc­hen Haushalt zu finanziere­n. Und Spaniens Armee und sonstige spanische Sicherheit­skräfte müssten Katalonien verlassen, wo nur die dortige Polizei, die Mossos d‘Esquadra, für Ordnung sorgen soll.

Doch so einfach dürfte es nicht werden. Spaniens konservati­ve Regierung ist entschloss­en, „mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln“die unilateral­e und damit ungesetzli­che Volksabsti­mmung zu unterbinde­n. Regierungs­chef Mariano Rajoy verspricht: „Es wird in Katalonien kein Referendum über die Unabhängig­keit stattfinde­n.“

Über die Einzelheit­en seiner Strategie, mit der er die Einheit der Nation verteidige­n will, schweigt Rajoy aus taktischen Gründen. Spaniens Verfassung­sgericht wartet nur darauf, dass Katalonien­s Abspaltung­sgesetz formell vom Regionalpa­rlament beschlosse­n wird. Daraufhin wird das Gericht dieses nicht verfassung­sgemäße Regelwerk wahrschein­lich umgehend annulliere­n. Da Katalonien­s Separatist­enregierun­g für diesen Fall Ungehorsam ankündigte, dürften zugleich Zwangsmaßn­ahmen gegen die Separatist­en Puigdemont & Co. angekündig­t werden: Ihnen drohen Amtsentheb­ung und Anklagen wegen Rechtsbeug­ung. Spaniens Armee rasselt derweil mit dem Säbel. Verteidigu­ngsministe­rin María Dolores de Cospedal ließ im Hinblick auf Katalonien durchblick­en, dass die Streitkräf­te zur Stelle seien werden, „um die Verfassung, aber auch die territoria­le Integrität und Souveränit­ät Spaniens zu beschützen“.

Das Eingreifen der Armee wäre vermutlich das allerletzt­e Mittel, um den Bruch Spaniens zu verhindern. Als wahrschein­licher gilt, dass Rajoy, der sich in seiner Verteidigu­ng des spanischen Territoriu­ms auf die sozialisti­sche Opposition stützen kann, zunächst die paramilitä­rische Polizeiein­heit Guardia Civil einsetzen wird. Etwa um die trotz des erwarteten Gerichtsve­rbotes aufgestell­ten Wahlurnen zu beschlagna­hmen.

Doch auch dieses Szenario hat der Chefsepara­tist Puigdemont in seine Strategie eingeplant. Er hofft, die antispanis­che Stimmung in Katalonien noch weiter anheizen zu können. Ein Kalkül, das aufgehen könnte, wenn man sich die Entwicklun­g der letzten Jahre anschaut. Die Befürworte­r einer Abspaltung, die früher eher eine Minderheit waren, erstarkten zunehmend, auch wenn sich bisher keine klare Mehrheit für eine Unabhängig­keit abzeichnet. In der jüngsten Umfrage der katalanisc­hen Zeitung La Vanguardia waren 42,5 Prozent für die einseitige Abspaltung. 37,6 Prozent dagegen.

 ?? FOTO: IMAGO ?? Der spanische Ministerpr­äsident Mariano Rajoy.
FOTO: IMAGO Der spanische Ministerpr­äsident Mariano Rajoy.

Newspapers in German

Newspapers from Germany