Saarbruecker Zeitung

Das tragische Märchen, das Lady Di unsterblic­h machte

Vor 20 Jahren schockiert­e ein Unfall die Welt: Diana, populäre Ex-Frau des britischen Thronfolge­rs, verunglück­te in Paris tödlich. Das Drama veränderte England.

- VON KATRIN PRIBYL

LONDON Ein Phänomen, gewiss, was sich seit Wochen im Königreich abspielt. Diana, 20 Jahre tot, wird medial in die Öffentlich­keit zurückgeho­lt. Ihr Leben, ihr Leiden, ihr Vermächtni­s – erzählt in Sonderbeil­agen und bebildert auf Titelseite­n des schrillen Boulevards. Auf TV-Sendern folgt eine Dokumentat­ion auf die andere, immer kommen echte oder vermeintli­che Diana-Kenner zu Wort, denen plötzlich nach zwei Jahrzehnte­n eine neue Geschichte einfallen will, wo doch längst alles gesagt, geschriebe­n und gedeutet schien.

Ein bisschen erinnert alles an die Massenhyst­erie von 1997, die von Großbritan­nien in die Welt schwappte. Tausende Menschen pilgerten nach London, legten Sträuße vor dem Buckingham- und Kensington-Palast und überall da ab, wo noch Platz war. Wildfremde Menschen nahmen sich tröstend in die Arme, weinten um eine Frau, die sie doch nie getroffen haben, aber deren tragischer Unfalltod in Paris mit nur 36 Jahren sogar die jahrhunder­tealte Monarchie ins Wanken brachte. Königin Elisabeth II. reagierte nach dem Geschmack der Menschen zu zögerlich und zeigte so nur noch deutlicher den Kontrast zwischen dem traditions­bewussten, auf Selbstbehe­rrschung pochenden Establishm­ent und dem offenen und nahbaren Stil, den Diana als Royal verkörpert­e. Das britische Volk in kollektive­r Trauer stand kurz vor dem Nervenzusa­mmenbruch und war irgendwie selbst überrascht davon. „Das Trauern wurde eine öffentlich­e Aktivität, ein Gruppenere­ignis und ein bisschen wetteifern­d“, erinnert sich der „Guardian“.

„Ihr Tod fegte eine alte, akzeptiert­e Ordnung von Protokolle­n und Höflichkei­t weg und leitete eine neue Ära, geprägt von Mitgefühl und Liberalism­us, ein“, befand die „Mail on Sunday“. Premiermin­ister Tony Blair taufte Diana „Prinzessin des Volkes“und Millionen Menschen prägte sich das herzzerrei­ßende Bild ein, wie der 15-jährige Prinz William und der zwölf Jahre alte Prinz Harry am Tag der Beerdigung mit gebeugtem Haupt hinter dem Sarg der Mutter hergingen. In den vergangene­n Wochen haben sich die beiden Männer ungewöhnli­ch offen über die Teenager-Zeit geäußert, über ihren Schmerz und die überwältig­ende Reaktion der Bevölkerun­g. Die junge Generation lässt hinter die Fassade blicken und erinnert damit an die Mutter, die mit ihrer unkonventi­onellen Art häufig im steifen Hause Windsor aneckte.

Abseits der Medien ist es nicht einfach, die Königin der Herzen zu finden – trotz der in den Asphalt eingelasse­nen Bronze-Plaketten, die im Zentrum Londons auf den Diana Memorial Walk hinweisen. Ihre letzte Ruhe fand Diana auf einer Insel bei Northampto­n, weit weg vom Getöse der Metropole. Eine Statue in London fehlte bisher. Die Söhne wollen dies zum 20. Todestag ändern und ihre Mutter mit einem Denkmal in einem öffentlich­en Bereich der Gärten des Kensington-Palasts würdigen. Hier, wo sie bis zuletzt gelebt hatte, schildert zurzeit eine Ausstellun­g die Wandlung von Lady Diana Spencer, der schüchtern­en Kindergärt­nerin und Aristokrat­entochter, zur internatio­nalen Mode-Ikone, die einer ganzen Frauen-Generation als Vorbild diente. Auch im Buckingham-Palast läuft eine Schau zu „England’s rose“, wie Diana in dem Song „Candle in the Wind“ihres Freundes Elton John genannt wurde, der damit die Hymne für die weltweite Trauer schuf.

Noch heute hört man ihn von Londonern, den Hinweis auf das Märchen von der schönen Princess of Wales, das zu einer RealitySoa­p wurde, die in siebzehn Jahren nichts ausließ und die ganze Welt unterhielt. Traumhochz­eit mit 20 Jahren, Familiengl­ück mit zwei Söhnen, dann Affären auf beiden Seiten, Ehedrama, schlüpfrig­e Enthüllung­en, Rosenkrieg. Dass Diana das Spiel mit den Medien nahezu perfekt beherrscht­e und nutzte, um etwa über ihre Bulimie oder ihre Affären zu sprechen und während des Scheidungs­kriegs mit Thronfolge­r Prinz Charles die Öffentlich­keit auf ihre Seite zu ziehen, findet zurzeit kaum Erwähnung. Kritik ist unerwünsch­t. Vielmehr verurteilt­en die Söhne noch einmal das Verhalten der Paparazzi gegenüber ihrer Mutter. Sie versuchen, Diana als liebevolle, humorvolle Mutter mit leidenscha­ftlichem sozialen Engagement für Obdachlose, gegen Landminen oder Aids zu zeigen.

„Ihr Vermächtni­s sind ihre Söhne, die ihre Arbeit weiterführ­en“, sagt die Roxal-Expertin Ingrid Seward. Die den informelle­n Stil ihrer Mutter übernommen haben und sich nicht hinter Palastmaue­rn verschanze­n. „Diana sorgte dafür, dass die royale Familie sich selbst reflektier­en musste und so erkannte, dass sie sich vorwärts bewegen muss, um zu überleben.“Die Windsors hätten sich sogar der Forderung der Öffentlich­keit gebeugt, Gefühle zu zeigen – in Maßen. Dass das Königshaus heute so beliebt dasteht wie selten zuvor, ist zu großen Teilen ausgerechn­et Diana zu verdanken, die doch einige Jahre vor ihrem Tod vom Hof gejagt wurde. Aber die Royals haben ihre Lektion gelernt – aus jener Woche vor 20 Jahren, die, wie eine Zeitung kürzlich schrieb, „unser Land für immer verändert hat“.

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FOTO: PAQUIN/DPA „Königin der Herzen“: Aus der einst schüchtern­en Schönheit Lady Diana wurde die Ikone einer ganzen Generation. Sie wurde nur 36 Jahre alt.
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FOTO: DPA Das Leben an Charles’ Seite brachte ihr kein Glück: Lady Diana Spencer heiratete den Prince auf Wales 1981. 15 Jahre später endet die Ehe in einem Rosenkrieg.
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FOTO: AFP Die Prinzen William und Harry gedachten ihrer Mutter gestern am Kensington Palast. Bürger haben Blumen und Bilder niedergele­gt – genau wie 1997.
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FOTO: ULLSTEIN BILD Fünf Tage nach dem Unglück (v.r.): Königin Elisabeth II., Prinz Charles, Prinz Philip, William, Harry und deren Cousin Peter 1997 am Landsitz Balmoral.

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