Saarbruecker Zeitung

Wenn die Autobahn vor die Wand fährt

Dass der Staat Investoren ins Boot holt, um die Infrastruk­tur in Schuss zu bringen, ist seit langem ein Reizthema – ist das wirklich effiziente­r?

- VON STEFAN VETTER

BERLIN Die drohende Pleite des Autobahnbe­treibers „A1 Mobil“hat einen alten Streit neu entfacht: Wie sinnvoll ist die private Finanzieru­ng staatliche­r Infrastruk­turprojekt­e? Überhaupt nicht, wettert die Opposition und fordert sogar ein Verbot der sogenannte­n öffentlich-privaten Partnersch­aften (ÖPP) – und den Rücktritt von Bundesverk­ehrsminist­er Alexander Dobrindt (CSU) gleich noch mit. Doch taugt der Vorgang wirklich zum Skandal?

Klamme Kassen, große Aufgaben – ursprüngli­ch war es reine Not, die die öffentlich­e Hand veranlasst­e, nach neuen Finanzieru­ngsmöglich­keiten für dringend gebotene Investitio­nen zu suchen. Im aktuellen Fall betreibt das Konsortium „A1 Mobil“einen Abschnitt der Autobahn zwischen Hamburg und Bremen. Für den zwischen 2008 und 2012 erfolgten sechsspuri­gen Ausbau des gut 70 Kilometer langen Abschnitts erhält es laut Vertrag mit dem Bund Einnahmen aus der Lkw-Maut auf dieser Strecke. Nur fließen die deutlich spärlicher als von allen Beteiligte­n kalkuliert. Deshalb steht jetzt eine Klage des Konsortium­s gegen den Bund auf Zahlung von 787 Millionen Euro im Raum. Geld, das am Steuerzahl­er hängen bleiben könnte

Kein Einzelfall. Schon 2014 hatte der Bundesrech­nungshof festgestel­lt, dass fünf von sechs der bereits damals vergebenen ÖPP-Projekte im Autobahnbe­reich um insgesamt 1,9 Milliarden Euro teurer geworden seien als bei einer konvention­ellen Realisieru­ng. Das vernichten­de Fazit der Experten seinerzeit in ihrem Bericht an den Haushaltsa­usschuss des Bundestage­s: „Der Bundesrech­nungshof ist der Auffassung, dass die bisherigen ÖPP-Projekte unwirtscha­ftlich sind.“

Ein zentrales Argument der ÖPP-Gegner ist die Tatsache, dass der Staat Kredite für große Bauprojekt­e zu deutlich billigeren Konditione­n bekommt als die Wirtschaft. Nach Einschätzu­ng von Marcel Fratzscher, Chef des Deutschen Instituts für Wirtschaft­sforschung (DIW), spielen aber auch noch andere Aspekte eine Rolle. Die Frage sei vor allem, wer ein Projekt effiziente­r, kostengüns­tiger herstellen, betreiben und erhalten könne. „Und wer kann mit den Risiken am besten umgehen, auch im Interesse des Steuerzahl­ers?“

Fratzscher war auch Leiter einer Expertenko­mmission, die sich im Auftrag der Bundesregi­erung mit der künftigen Finanzieru­ng der Infrastruk­tur beschäftig­t hatte. Eine ihrer Empfehlung­en lautete, ÖPP nicht von vornherein zu verteufeln. „In Nürnberg zum Beispiel wurden Schulen über ein solches Modell saniert. Das hat der Stadt Geld gespart“, sagt Fratzscher. Überhaupt werde mehr als die Hälfte der öffentlich­en Investitio­nen von den Städten und Gemeinden getätigt, auch unter privater Beteiligun­g. „Denn viele Kommunen haben gar nicht die Expertise und die Kapazitäte­n, um komplexe Projekte zu verwirklic­hen“, erklärt der DIW-Chef. Das Problem sei allerdings, dass niemand verlässlic­h sagen könne, wieviel Geld genau man hätte sparen können, wenn eine andere Finanzieru­ngsalterna­tive zum Zuge gekommen wäre.

Das dürfte auch im aktuellen Fall „A1 Mobil“zutreffen. Am Ende könnte sich herausstel­len, dass der Staat mit dem privaten Investor schlecht verhandelt hat. Aber es ist kein Skandal, wenn ein privater Investor aufgrund geschönter Kalkulatio­nen pleitegeht. Hätte der Staat allein gehandelt und das Maut-Aufkommen ebenfalls überschätz­t, wäre der Schaden mit Sicherheit beim Steuerzahl­er gelandet. Die öffentlich­e Hand ist jedenfalls nicht automatisc­h der bessere Unternehme­r. Am Pannenflug­hafen BER in Berlin-Schönefeld lässt sich das schon seit Jahren auf erschrecke­nde Weise studieren.

„In Nürnberg wurden

Schulen über ein solches Modell saniert.

Das hat der

Stadt Geld gespart.“

Marcel Fratzscher

Chef des Deutschen Instituts für Wirtschaft­sforschung (DIW)

Newspapers in German

Newspapers from Germany