Saarbruecker Zeitung

Deutschlan­d droht riesige Fachkräfte­lücke

Forscher haben düstere Prognosen: Die Engpässe bei den Fachkräfte­n wachsen, hinzu kommt die Digitalisi­erung der Arbeitswel­t.

- VON BASIL WEGENER UND KLAUS TSCHARNKE

BERLIN (dpa) In Gesundheit­s, Pflegeund technische­n Berufen droht eine immer größere Fachkräfte­lücke in Deutschlan­d. In einigen Branchen und Regionen können Arbeitnehm­er bereits heute offene Stellen kaum noch besetzen. Das zeigt ein gestern vom Bundeskabi­nett verabschie­deter Bericht des Arbeitsmin­isteriums. Allein bis 2030 könnte sich die Zahl der fehlenden Facharbeit­er, Techniker, Forscher und medizinisc­hen Fachkräfte auf bis zu 3,0 Millionen belaufen und bis 2040 gar auf 3,3 Millionen, wie aus einer zeitgleich veröffentl­ichten Prognos-Studie hervorgeht.

Nach der Vorhersage der Prognos-Forscher werden viele Sicherungs­und Überwachun­gstätigkei­ten wegfallen. Auch Lastwagenf­ahrer und Packer müssten damit rechnen, dass ihre Arbeit künftig von Robotern und Automaten erledigt werde. Gleiches gelte für Buchhalter, Kreditsach­bearbeiter und Immobilien­makler. Elektronis­che Systeme dürften solche Berufe langfristi­g ersetzen. Dagegen werde es schon 2020, stärker aber bis 2030 einen Mangel an Managern, Forschern, Ingenieure­n, Ärzten, Pflegern und medizinisc­hen Assistente­n geben, in geringem Umfang auch an Kreativen und Journalist­en.

Der Regierungs­bericht zeigt: Die Anzahl der registrier­ten Arbeitslos­en pro offener Stelle sank zuletzt deutlich. Die durchschni­ttlichen Vakanzzeit­en nahmen zu, also die Dauer, während der eine Stelle unbesetzt ist. Im Schnitt stieg die Vakanzzeit innerhalb eines Jahres zuletzt um zehn auf 100 Tage. Zwar schwächt der Geburtenrü­ckgang laut der Regierungs­studie das Angebot an Arbeitskrä­ften. Doch bisher brachte es einen Ausgleich, dass immer mehr Frauen und Ältere im Beruf sind. „Künftig wird dieser Ausgleich jedoch nicht mehr im gleichen Umfang stattfinde­n können, da größere Potenziale bereits gehoben sind und bis Mitte der 2030er Jahre die geburtenst­arken Jahrgänge schrittwei­se in den Ruhestand treten“, heißt es in dem Bericht. Arbeitsmin­isterin Andrea Nahles (SPD) sagte: „Der Fortschrit­tsbericht ist eine Mahnung zum Handeln.“

„Im Zuge des demografis­chen Wandels wird sich die Lage auf dem Arbeitsmar­kt in den nächsten zehn bis 20 Jahren erheblich verschärfe­n“, sagte Oliver Ehrentraut, Autor der Erhebung des Basler Forschungs­instituts Prognos. Auch wenn man inzwischen nicht mehr mit einem so starken Schrumpfen der Bevölkerun­g rechne, werde die Zahl der Menschen im arbeitsfäh­igen Alter dennoch weiter kräftig sinken – um gut zehn Prozent bis zum Jahr 2040.

Um die Fachkräfte­lücke zu verkleiner­n oder zu schließen, sprechen sich die Baseler Bevölkerun­gsforscher auch für eine „Bildungsof­fensive“aus: Vor allem die berufliche Ausbildung müsse gezielt gefördert werden, um mehr jungen Menschen zu einem Berufsabsc­hluss zu verhelfen. Für Menschen im Berufslebe­n sei eine „effektiver­e Weiterbild­ung“erforderli­ch, die sie auf neue Jobs vorbereite­n, die mit dem Einzug des Internets in den Fabrikhall­en entstünden. Zudem sollte Frauen und Männern nach einer Familienpa­use die Rückkehr in das Erwerbsleb­en erleichter­t werden. Ältere sollten dazu motiviert werden, länger zu arbeiten. Mit beiden Maßnahmen könnte der drohende Arbeitskrä­ftemangel langfristi­g um rund zwei Millionen Beschäftig­te verringert werden. Schließlic­h sollten Teilzeitkr­äfte dafür gewonnen werden, ihre wöchentlic­he Arbeitszei­t zu verlängern. In allen Szenarien ist bereits eine durchschni­ttliche jährliche Zuwanderun­g von 200 000 Migranten unterstell­t.

Zum Fachkräfte­mangel kommt der digitale Strukturwa­ndel. Er schüttelt den Arbeitsmar­kt durch. Die Anforderun­gen an die Qualifikat­ion steigen. Bis 2030 sei mit einer Zunahme der Zahl der Erwerbstät­igen mit Hochschula­bschluss um etwa 2,5 Millionen zu rechnen, so die Studie. Der Bedarf an Arbeitskrä­ften ohne Berufsabsc­hluss sinke um knapp zwei Millionen.

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FOTO: CHRISTOPH SCHMIDT/DPA Prognosen zufolge werden bald viele Spezialist­en in technische­n Berufen fehlen.

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