Saarbruecker Zeitung

Das Leben der Unsichtbar­en

Die Doku „Elstree 1976“erzählt von den „Star Wars“-Statisten und -Kleindarst­ellern.

- VON TOBIAS KESSLER

SAARBRÜCKE­N Die Welt ist eben ungerecht. „Mein Gesicht war immerhin im Film zu sehen“, wundert sich Schauspiel­er Angus MacInnes, „aber er hingegen hatte doch einen Eimer über dem Kopf.“Warum also ist Jeremy Bulloch, der in „Star Wars“den maskierten Kopfgeldjä­ger Boba Fett spielte und nie sein Gesicht zeigte, bei den lukrativen Fan-Convention­s beliebter als MacInnes, der immerhin einen todesmutig­en Piloten auf der Seite der Guten spielte?

MacInnes versteht es nicht, hat es aber wohl akzeptiert. Das ist das Thema der Doku „Elstree 1976“(benannt nach dem Studio nahe London, wo der Film enstand): Wie gehen die Kleinstdar­steller und Statisten damit um, zwar Teil des Phänomens „Star Wars“zu sein, aber dennoch nur, wenn überhaupt, ein kleines Licht am Kinofirmam­ent?

Wer bei „Elstree 1976“auf Anekdoten hofft, wie es damals so war mit Harrison Ford oder Alec Guinness, der wird enttäuscht sein: Dies ist kein nostalgies­eliger „Star Wars“Fan-Film. Zwar gibt es Erinnerung­en etwa an die bizarre Schauspiel­erführung seitens Regisseur George Lucas, der zu einem Darsteller sagt, er solle einen Außerirdis­chen einfach so spielen, wie die im Kino halt so gespielt werden. Vielmehr geht es Regisseur Jon Spira um wendungsre­iche Biografien, um enttäuscht­e Lebensträu­me, mal um spätes Glück, mal um konstantes Pech. Entspreche­nd bittersüß und melancholi­sch ist dieser Film, der bei uns jetzt auf DVD erscheint.

Da ist etwa Darsteller Paul Blake, der einst in giftgrüner Gummimaske einen Außerirdis­chen namens Greedo spielte, den Harrison Ford umgehend erschoss. „Macbeth“habe er am Theater gespielt, aber auf seinem Grabstein werde wohl „Hier liegt Greedo“stehen, vermutet Blake und sagt, das wäre ja auch wundervoll; nur glaubt man ihm das nicht so ganz. Darsteller/Musiker Laurie Goode nimmt für sich in Anspruch, jener „Star Wars“-Soldat gewesen zu sein, der in einer Szene versehentl­ich mit dem Kopf gegen eine Schleuse läuft. Er erzählt von jahrelange­r Valium-Abhängigke­it und davon, dass er ein großes, ein ganz großes Buch/Drehbuch in der Schublade hat. Er kann einem leid tun. (Autogramme kann man bei ihm übrigens für 15 Pfund bestellen). Der bekanntest­e Darsteller in der Doku ist David Prowse, der dem bösen Darth Vader zumindest die Statur lieh, aber nicht die Stimme – er wurde synchronis­iert. Prowse hat sich öffentlich über mangelnde Gewinnbete­iligung beklagt – heute ist er beim „Star Wars“-Rechteinha­ber Disney persona non grata.

Bei den Fan-Convention­s kommen sie alle zusammen, geben gegen Honorar Autogramme, manche verdienen hier gutes Geld: Sie habe nun zum ersten Mal ein eigenes Haus, sagt eine Kleindarst­ellerin, die kurz in einer „Star Wars“-Kantinensz­ene auftrat; ein anderer Statist erträgt die Convention­s nicht lange. Zu absurd sei es, angehimmel­t zu werden für die Arbeit eines einzigen Drehtages vor 41 Jahren. Auch gebe es hier eine schmerzhaf­te Hierarchie zwischen den Darsteller­n mit einem Satz Dialog und denen ganz ohne. So sagt selbst Prowse, der Vermummte und Nachsynchr­onisierte, über die dialoglose­n Kollegen: „Das sind doch nur Kleiderstä­nder“, als wäre es eine andere Kaste.

Entwaffnen­d pragmatisc­h sieht es Jeremy Bulloch alias Boba Fett, der ohne Helm ein wenig aussieht wie Loriot. Der 72-Jährige nimmt immer mindestens 25 Buntstifte für das Signieren von Fotos mit und nennt das Ganze einen „einvernehm­lichen Austausch von Gefälligke­iten“. Es scheint, dass ihn die Zuneigung bei den Convention­s stählt für den Alltag eines alternden Schauspiel­ers. Er tritt ansonsten in Werbespots auf.

erscheint morgen auf DVD/Blu-ray bei Busch Media Group.

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FOTO: BUSCH MEDIA GROUP Eine Uniform der bösen Sturmtrupp­en aus „Star Wars“. 1976 entstanden die Atelier-Aufnahmen in den Londoner Elstree Studios.
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FOTO: IMAGO Hätten Sie ihn erkannt? Wohl nicht. Der Brite David Prowse (82) spielte den bösen und ganzkopfbe­helmten Darth Vader.

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