Saarbruecker Zeitung

Wie Diogenes die Rechte an Simenons Werk verlor

40 Jahre lang betreute der Zürcher Verlag das Werk des Belgiers, der mehr als nur „Maigret“-Romane schrieb – nun ist Schluss damit.

- VON CHRISTOPH SCHREINER

SAARBRÜCKE­N/ZÜRICH Zu Lebzeiten war Georges Simenon ein Meister der Selbstverm­arktung und dazu von einer beispiello­sen Produktivi­tät. Als der vor allem als Autor der legendären „Maigret“-Romane berühmt gewordene Mann aus Lüttich 1989 mit 86 Jahren starb, hinterließ er neben 75 Maigrets 100 weitere, teils hinreißend­e Romane, dazu zahllose Groschenro­mane, Erzählunge­n und ferner unter Pseudonym verfasste Trivialwer­ke. Eine hübsche Geschichte erzählt, dass Simenon in den späten 20ern, um die eigene Bekannthei­t anzukurbel­n, den Plan hegte, einen Fortsetzun­gsroman in Paris vor aller Augen in einem Glaskäfig zu verfertige­n – angeblich verhindert­e nur die Liquidatio­n der ihn dafür beauftrage­nden Zeitung die Umsetzung. Es hat dann auch ohne diese Selbstinsz­enierung zur Berühmthei­t gereicht. Die weltweite Gesamtaufl­age seiner Werke wird auf sagenhafte 500 Millionen Ausgaben geschätzt.

Im deutschspr­achigen Raum hatte der Zürcher Diogenes Verlag seit 40 Jahren die Rechte an Simenons Werk und damit gewisserma­ßen eine Lizenz zum Gelddrucke­n. Simenon verkaufte sich immer. Daniel Keel, der 2011 gestorbene und seither von seinem Sohn Philipp ersetzte Verleger, aber kümmerte sich auch in vorbildlic­her Weise um die Pflege von Simenons Werk. Als der Verlag 1994 seine 218-teilige Gesamtedit­ion abschloss, fing man quasi (Passion und Geschäftss­inn paarend) nochmal von vorne an und brachte Simenon Jahr für Jahr in neuer Aufmachung oder Übersetzun­g neu auf den Markt. Das hätte wohl ewig so weitergehe­n können.

Doch nun hat Diogenes die Rechte am Werk Simenons verloren. Ausgerechn­et an einen langjährig­en Ex-Angestellt­en: Daniel Kampa, der bei Diogenes zeitweilig Keels Assistent war und 2013 dann die Leitung des Traditions­verlags Hoffmann & Campe übernahm. Dort ist Kampa unlängst demissioni­ert, um seinen eigenen Verlag zu gründen. Kampa wird er heißen und ab Herbst 2018 das Werk des belgischen Altmeister­s im Schaffens größter Atmosphäre mit kleinsten Mitteln neu herausgebe­n. Kampa verspricht neben der Neu-Edition der Non-Maigrets mit Nachworten namhafter Autoren und Kritiker auch die Herausgabe bislang unveröffen­tlicher Simenon-Werke, darunter sein journalist­isches Frühwerk und Erzählunge­n aus seinen literarisc­hen Anfangsjah­ren.

Weshalb Simenons zweitältes­ter Sohn John, der über seine Firma Georges Simenon Ltd. mit der britischen Agentur Peters, Fraser & Dunlop die Weltrechte am Werk seines Vaters hält, Diogenes ausgeboote­t hat, darüber lässt sich nur spekuliere­n. Möglicherw­eise schien dem Sohn das Werk bei Kampa, der Simenon noch persönlich kannte, in besseren Händen als in denen von Daniel Keels Sohn Philipp. In einem Radio-Interview hat Kampa daran erinnert, dass Daniel Keel in den 60ern Simenons ursprüngli­chem deutschen Verlag Kiepenheue­r & Witsch die Simenon-Rechte „abgeluchst“habe, um ihn dann in seinem eigenen Verlag zu hofieren. Ganz wie nun Kampa selbst

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FOTO: DPA Georges Simenon, hier in einer Aufnahme von Ende 1981. Sein Gesamtwerk soll sich weltweit 500 Millionen Mal verkauft haben.

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